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DFG-VK Gruppe Duisburg
Stand: 9.9.2015

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Deutsche Friedensgesellschaft
Vereinigte Kriegsdienstgegner
Gruppe Duisburg

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Gneisenaustr. 226
47057 Duisburg


Mahnwachen machen Wahn
oder Breit sein ist alles


Aus DER METZGER Nr. 113 (April 2015)


von Jakop Heinn



Jedes Jahr war es dasselbe: Am Ostersamstag-Vormittag begann in Duisburg-Mitte der Ostermarsch Ruhr. Doch just zur selben Zeit setzte sich am anderen Ende der Königstraße ein anderer Marsch in Bewegung: Jubelnde Jugendliche mit anständigem Haarschnitt, die enthusiastisch verkündeten: „Jesus lebt!“ Und darüber freuten sie sich so, als hätten sie es gerade erst erfahren.

Ach, was waren das für Zeiten, als man die Verwechslungen noch unterscheiden konnte!

Heute ist nicht nur das Publikum verwirrt. Auch die Darsteller wissen nicht mehr, in welchem Stück sie spielen. Man weiß nicht: Wird da alter Wein in neue oder neuer Wein in alte Schläuche gefüllt?

Böse Zungen hatten der Friedensbewegung schon attestiert, sie könne heute kaum noch eine Menschenkette um eine Litfaß-Säule zustandebringen. Doch da ist sie wieder! Und sie kommt einem noch so bekannt vor – und doch ist alles irgendwie verschoben.


Die Rußland-freundlichen Töne fallen auf. Die Töne sind heute freundlicher als zu Zeiten, in denen die Sowjetmacht hierzulande noch eine vernehmliche Lobby hatte. Es leuchtet ein, daß aus der Friedensbewegung Kritik an der aggressiven Osterweiterungspolitik von NATO und EU geäußert wird. Die Sache hat nur einen Schönheitsfehler: Wohlwollen gegenüber Rußland ist neuerdings Herzenssache in Rechts-Kreisen. Die erste Pro-Rußland-Demonstration in Berlin wurde von der rechtspopulistischen Pro-Bewegung dominiert. Auch der Querfront-Nationalist Jürgen Elsässer gibt der „Freundschaft mit Rußland“ hohe Priorität. Widerspruch gegen imperialistische EU-Politik vermischt sich mit homophober Sympathie für das autoritäre Bollwerk gegen „westliche Dekadenz“.

Eine weitere Auffälligkeit ist das immer wieder auftauchende Kürzel „FED“. Das ist die US-amerikanische Federal Reserve Bank, übrigens ein privatrechtliches Unternehmen. Wo diese Bank in Reden und Statements erwähnt wird, erscheint sie als die Wurzel allen Übels. Die Federal Reserve Bank, da ist man sich sicher, steckt hinter allen Kriegen der letzten 100 Jahre.

Das hört sich nicht nach sachlicher Analyse an, sondern nach abstruser Verschwörungsphantasie – die aber gern aufgegriffen wird, weil sie ein Lieblingsthema der Rechten bedient: die Kriegsschuldfrage.

Der hier zutage tretende Geschichtsrevisionismus sei eine Verharmlosung der Shoa, empörte sich Jutta Ditfurth: „Diese ungeheuerliche Aussage entlastet Nazi-Deutschland vom Zweiten Weltkrieg, und auch für die Vernichtung der deutschen und europäischen Juden sind weder die USA noch eine US-Bank verantwortlich. Nazi-Deutschland wird entlastet.“ Sie sieht in den Kundgebungen der „neuen“ Friedensbewegung „neurechte Demonstrationen“. Diese seien „eine Kriegserklärung gegen jüdische Menschen, gegen alle Aufklärung, gegen Humanismus.“


Die Aktionsform der „Neuen Friedensbewegung“ sind die „Montags-Mahnwachen“ in verschiedenen Städten. Das sind eigentlich Kundgebungen mit unterschiedlicher Teilnehmerzahl. Auch die Querfront-Rapper von „Bandbreite“ durften schon bei Montags-Mahnwachen Musik machen (siehe DER METZGER 110). Die MLPD wirft den Veranstaltern vor, ihre Idee geklaut zu haben und legt Wert darauf, daß die Mahnwachen mit ihren Montags-Demonstrationen gegen Hartz IV nichts zu tun haben: „Die Bewegung insgesamt ist unbedingt mit Vorsicht zu genießen und abzulehnen. Die Initiatoren ziehen keinen klaren Trennungsstrich zu ultrarechten, faschistoiden und faschistischen Personen und Gruppierungen. [...] Sie sind nicht Teil unserer Bewegung und es gibt auch keine Zusammenarbeit mit ihnen.“

Die „Montags-Mahnwachen“ (oft schon als „Wahnmachen“ verspottet) bieten kein einheitliches Bild. Da und dort gibt es „Abgrenzungen nach rechts“, wobei Rechte nicht immer als solche erkannt werden. „Abgrenzung“ bedeutet manchmal nur, daß Rechten bescheinigt wurde, gar keine Rechten zu sein. „Abgrenzung“ bedeutet, daß Jürgen Elsässer auf der einen Kundgebung nicht reden darf, auf der anderen aber doch. Elsässer vermutet hinter den zaghaften „Abgrenzungen“ den „erheblichen Druck“ der „politisch-korrekten Meinungs-Mafia“ bzw. ein „bundesweites Kesseltreiben der Linksradikalen“, und als „Monopol-Medium“ nennt er die Taz.

Neben dem schillernden Elsässer, der schon die verschiedensten Bereiche der Linken durchlaufen hatte, bevor er zum Ultra-Nationalisten wurde, und der als Quer-Einsteiger gelten kann, ist die neuartige Friedensbewegung besonders durch zwei Personen repräsentiert: Ken Jebsen und Lars Mährholz.

Mährholz, zuvor nicht öffentlich in Erscheining getraten, hat es mit dem US-amerikanischen Zentralbanken-System als den „größten Kriegstreiber auf der Welt“. Er meint, „daß die amerikanische Federal Reserve, die amerikanische Notenbank, das ist eine Privatbank, dass sie seit über hundert Jahren die Fäden auf diesem Planeten zieht.“

Die ganze Klaviatur rechtspopulistischer und braunesoterischer Verschwörungspanik wird von Ken Jebsen gespielt. Für seinen früheren Arbeitgeber Radio Berlin-Brandenburg war der Moderator einer Jugend-Radiosendung nicht mehr tragbar wegen antisemitischer Ausfälle, wie etwa dieser: „Ich weis (sic!) wer den Holocaust als PR erfunden hat. Der Neffe Freuds, Bernays. in seinem Buch Propaganda schrieb er wie man solche Kampagnen durchführt. Goebbels hat das gelesen und umgesetzt.“ In einem „Offenen Brief an Angela Merkel“ wirft er der Bundeskanzlerin vor, „kranken Ideen radikaler Zionisten“ zu übernehmen und eine „rassistische Grundüberzeugung“ zu unterstützen. „Nationalzionisten haben Israel okkupiert, wie Nazis 33 Deutschland okkupiert haben und sprechen im selbst ernannten Auftrag für alle Juden.“


Für die gute alte traditionelle Friedensbewegung, die noch das Erbe der legendären Aktionen der 80er Jahre verwaltet, stellte sich nun die Frage, wie sie mit der neuen Friedenswahnmachen-Bewegung umgehen soll: ignorieren, distanzieren oder sich dranhängen?

Und so entstand der „Friedenswinter“ als große Gemeinschaftskampagne, als „Brückenschlag zwischen alter und neuer Friedensbewegung“ gelobt oder getadelt. „Linkspartei-Reformer Klaus Lederer“ bezeichnet in der Taz „das ganze als Querfront-Projekt“. Gewarnt wurde auch von der VVN. Der Aufruf aber erinnert mehr an den guten alten „Minimalkonsens“. Auf gar zu deutliche Querfront-Stichwörter wurde verzichtet. Unter dem Friedenswinter-Aufruf finden sich dann also Unterschriften von Elmar Altvater, Andreas Buro, Diether Dehm, Eugen Drewermann, Wolfgang Gehrcke, Evelyn Hecht-Galinski, Florence Hervé, Sabine Kebir, Norman Paech, Peter Sodann, Kathrin Vogler, Sahra Wagenknecht, Konstantin Wecker und noch viele aus Linkspartei, Attac, Gewerkschaft, auch DFG-VK, neben den Wahnmachen-Rednern, als wären sie alle aus ein- und demselben Holz. Es genügt nun mal nicht, den Text zu lesen. Man muß auch darauf achten, wer ihn sonst noch unterschreibt.


Ist auch alles irgendwie verschoben, kommt es einem doch bekannt vor. Das Revival mag zur Sorge Anlaß geben – zur Überraschung nicht.

Immer schon hat es Rechte in der Friedensbewegung gegeben, Nationalisten, denen durch gern gehörte Antiamerikanismen der Schulterschluß mit Linken und Pazifisten leicht fiel. Es gab in der Friedensbewegung auch immer komische Heilige, denen man was von Flugzeug-Kodensstreifen erzählen konnte. Das ging deshalb so glatt, weil den Strategen der Friedensbewegung Stimmung immer wichtiger war als Erkenntnis: Nicht die Analyse des Militarismus, sondern: den Frieden mit der Seele suchen. Ein paar Nationalisten und ein paar Verrückte mehr bedeutet da vor allen: ein paar Leute mehr. Viel bringt viel, und mehr bringt mehr.

Eine weiche Flanke nach rechts ist die Erbkrankheit der deutschen Linken. Das fing mit dem „Bund der Deutschen“ in den 50er Jahren doch schon an. Die Deutsche Linke hat mehr nach Breite als nach Schärfe gestrebt: Breit sein ist alles! Die Deutsche Linke ertrug es nicht, als Bürgerschreck und als kleine radikale Minderheit sich nützlich zu machen. Sie wollte viel lieber das ganze Volk unter ihre Fittiche nehmen. Sie war bereit, der Breite wegen ihre Substanz zu verdünnen.

Das war alles halb so schlimm, solange die Linke noch agil war und zumindest quantitativ was in die Waagschale hineintun konnte. Die Sehnsucht nach Frieden war ein Eingang zur Linken. So wie die Dinge heute liegen, ist die Sehnsucht nach Frieden eher ein Eingang zur Rechten.


Daß die Linke an Mobilisierungskraft und Attraktivität verloren hat, liegt daran, daß sie sich in unsinnigen Antisemitismus-Debatten aufgerieben hat und durch Quatsch-Kampagnen wie „Critical Whiteness“ oder „feministisches Sprach-Handeln“ eher einem Narrenkäfig ähnelt.

Die Straße gehört also „Pegada“ (Patriotische Europäer gegen die Amerikanisierung des Abendlandes), die sich auch „Engagierte Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas“ nennen, was sich als „Endgame“ abkürzen läßt, was für manche Neonazis das Schlüsselwort für „Endsieg“ bedeuten soll. Die engagierten Patrioten siegten am 24. Januar in Erfurt und am 21. Februar in Halle, beschallt von der Querfront-Kapelle „Bandbreite“. Von „Anhängern der sogenannten Truther-Szene (die die offizielle Version des „11. September“ bezweifelt), Hooligans, Neonazis, aber auch friedensbewegten Bürger“ berichtete die Junge Welt, ebenso von den unvermeidlichen Komplementär-Verrückten, die als „Gegendemonstration“ mit Fahnen der USA, Israels und der Europäischen Union als „Die eigentlich patriotischen Patrioten“ (abgekürzt: „Deppen“) den Idiotenhügel vervollständigten. Auf dieser Veranstaltung durfte der „Reichsbürger“ und verurteilte Holocaustleugner Christian Bärthel die Haftentlassung des Rechtsextremisten Horst Mahler fordern.


An „liebe Medienvertreter, Freunde und Sympathisanten von HoGeSa, PEGIDA, freiheitlich-patriotischen Parteien und Aktionsbündnissen“ wendet sich „Gemeinsam-Stark Deutschland e.V.“. Der Verein setzt sich aus Fußballfans verschiedener Städte zusammen: „In den Farben getrennt, in der Sache vereint – für Deutschland“. Er bekennt sich zu „den Werten des Grundgesetzes und den Allgemeinen Menschenrechten“, will „den amerikanischen und britischen Rüstungskonzernen entgegentreten“, lehnt das TTIP-Abkommen mit den USA ab und fordert das Ende der Stationierung von Atomwaffen auf deutschem Gebiet und den Austritt Deutschlands „aus dem Angriffsbündnis NATO“. Er fordert „erneuerbare Energien und die Erforschung anderer Energiequellen anstatt Fracking“, bekennt sich zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus humanitären Gründen und ebenso zu einem „gesunden Nationalstolz“. Dabei spielt es keine Rolle, „ob du ein sogenannter ‚Passdeutscher‘ oder ‚Biodeutscher‘ bist“. Der Verein tritt ein „für den Erhalt deutscher Werte und Tugenden sowie gegen den Multi-Kulti-Wahnsinn, für ein spezifisches Asylrecht und gegen den massenhaften Asylmissbrauch, für die soziale Marktwirtschaft mit einer gerechten Umverteilung von faul nach fleißig“. „Wir sind Deutsche. Und das soll auch in Zukunft so sein. Der Slogan, ‚wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen‘, drückt dieses Gefühl aus. Wir stellen uns gegen die Islamisierung Deutschlands, insbesondere durch radikale Hassprediger und links-rot-grün versiffte Gutmenschen, Parteien, Gewerkschaften und Sozialverbände sowie Kirchen. [...] Darüberhinaus stellen wir die Frage nach der Souveränität Deutschlands, wie es z.B. bereits Gregor Gysi und der von den Medien als ‚Neu-Rechter‘ und ‚Reichsbürger‘ diffamierte Xavier Naidoo getan haben.“

Die nationalstolzen Atomwaffengegner sind keine Anfänger:

Einige unserer Mitglieder waren bereits bei den ‚Friedensmahnwachen‘, der ‚HoGeSa‘ oder ‚PEGIDA‘ aktiv dabei.“

Beim Ostermarsch sehen wir uns dann wieder.





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