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DFG-VK Gruppe Duisburg
Stand: 9.9.2015

Inhalt und Impressum


Deutsche Friedensgesellschaft
Vereinigte Kriegsdienstgegner
Gruppe Duisburg

c/o Buchhandlung "Weltbühne"
Gneisenaustr. 226
47057 Duisburg


Entlassen aus der Geschichte?

Durch eine bündnispolitische Fehlentscheidung wurde offenbar, in welch desolatem Geisteszustand sich die Linke in Deutschland mittlerweile befindet.


aus DER METZGER Nr. 114 (Juli 2015)


von Helmut Loeven



Sind wir Übriggebliebene, herausgeschleudert /
Aus dem lebendigen Fluß? Werden wir zurückbleiben /
Keinen mehr verstehend und von keinem verstanden?“

Brecht


Peace will come, when the false idols fall.“

Bob Dylan


Der Friedenswinter ist vorbei, Gott sei‘s geklagt!“ Von wegen! Dieser „Friedenswinter“ wird nicht eher vergehen, bis die Friedensbewegung (die wir kennen) selbst perdu ist. Wie lange es bis dahin noch ist, wissen die Götter. Es kann schnell gehen. Die Geister, die die Friedensbewegung gerufen hat, lassen sich so schnell nicht abschütteln.

Wäre es nach der DFG-VK und ihrem politischen Geschäftsführer Monty Schädel gegangen, wäre der „Friedenswinter“ schon vor seinem vorgesehenen Ende (8. Mai 2015) abgebrochen worden. Das hätte auch nichts genützt. Der Pleite des bündnispolitischen Irrwegs folgt nun das Echo mit teils kuriosen, teils wenig appetitlichen Klängen.

Die Schnapsidee des unbelehrbaren Duisburger Friedensforums, die Band „Die Bandbreite“ beim Ostermarsch 2015 auftreten zu lassen, wozu einem ja nun wirklich nichts mehr einfällt, soll hier nur am Rande erwähnt werden, wird uns allerdings auch in Zukunft wohl immer wieder mit Schoten versorgen. Die Affäre ist sozusagen das Tüpfelchen auf dem I, läßt aber auch erkennen, daß das Phänomen, von dem hier die Rede ist, der Orientierungsverlust in der Friedensbewegung, gar nicht so plötzlich kam.

Die Tage, in denen die Friedensbewegung noch Hofgärten mit Menschenmassen füllen konnte, sind dahin (wie manches im Leben). Widerstand gegen eine Politik, die, mehr als zu Hofgartenzeiten, militärische Optionen benutzt, ist gleichwohl angebracht, nötig – und möglich! Nur eben nicht mehr als Massenparty für 300.000. Die Linke (mit der man sehr wohl die Friedensbewegung gleichsetzen darf) leidet an einem Menschenmassenfetischismus. Daß die Leute „auf die Straße gehen“ ist die beliebteste Redensart. Ob diese Orientierung an Massen auf Straßen, das Addieren von „Teilnehmern“ und Unterschriften wirklich das non plus ultra ist, kann bei anderer Gelegenheit erörtert werden. Jedenfalls war die traditionelle Friedensbewegung unzufrieden damit, nach zehn Jahren Fleiß und Appellen immer noch keine breiten Massen gegen den Afghanistan-Einsatz auf die Straße gelockt zu haben. Aber es hatten sich ja ohne ihr Zutun die „Mahnwachen für den Frieden“ gebildet, als „neue“ Friedensbewegung. Lag es da nicht nahe, sich zusammenzutun? „Daraus kann eine neue massentaugliche Protestbewegung resultieren“, schwärmte der Friedensfunktionär Reiner Braun vom Bündnis „Kooperation für den Frieden“.

Die Mahnwachen-Kampagne sollte „nicht links und nicht rechts“ sein. Da hätte es eigentlich schon klingeln müssen. Denn wer das Links-Rechts-Spektrum der Politik für unbedeutend oder überholt hält, ist entweder ahnungslos oder treibt ein falsches Spiel. Ein solches falsches Spiel hat den Namen „Querfront“. Teile der Neuen Rechten spielen dieses falsche Spiel derzeit mit Erfolg.

Auch daß die VVN dem Bündnis eine Absage erteilte, hätte zu denken geben müssen. Aber es war zu verlockend, mal wieder Massen um sich zu haben, und so entstand der „Friedenswinter“. Reiner Braun nannte die VVN-Erklärung ein „unseriöses Papier“, „falsch“, „diffamierend“.

Unbedenklich waren die Mahnwächter nicht. Monty Schädel: „Vertreter der Friedensbewegung traten – trotz breiter Kritik aus der Friedensbewegung – auf den Bühnen der Mahnwachen auf; sie sprachen teilweise vor bzw. nach Personen mit Beiträgen, die früher nur bei rechten Zusammenschlüssen zu hören waren. Die Abgrenzungen blieben in solchen Fällen schwammig. Die Übergänge nach rechts wurden verwischt. Das deckte sich mit der Philosophie der Mahnwachen, dass es ja kein ‚rechts‘ und ‚links‘ mehr geben würde. Um der Kritik an dieser Position einer ‚Gemeinsamkeiten zwischen rechts und links‘ den Wind aus den Segeln zu nehmen, distanzierten sich die Mahnwachen dann von den widerlichsten Rassisten.“

Noch vor dem 8. Mai trat die DFG-VK aus dem Bündnis aus. Anlaß war eine Verbalattacke des Mahnwachers Ken Jebsen gegen Monty Schädel: Der hatte in Interviews mit der Taz, der Jungen Welt und der Graswurzelrevolution eine sehr nüchterne Zwischenbilanz des Friedenswinters gezogen. Daraufhin Jebsen in einer Rede: Monty Schädel sei ein „Feind, der von der Nato gekauft ist“.

Konsequenzen (außer denen, die Monty Schädel und die DFG-VK daraus zogen)? Das Bündnis mußte unbedingt gegen jede Einsicht, gegen jedes bessere Wissen abgeschirmt werden. Zu solchem Behufe steht eine ganze Klaviatur von Abwehrmechanismen zur Verfügung: Stures Ignorieren, dummdreiste Anschuldigungen sowie akrobatische Winkelzüge.

Der Akrobatik bedienten sich Wolfgang Gehrcke und Christiane Reymann in einem Artikel in den Marxistischen Blättern („Wider denunziatorische Kommunikation, Volksfront statt Querfront“ – Ob „Volksfront“ vielleicht ein weiterer Irrweg bloß mit schöner klingendem Namen ist, sei späteren Betrachtungen über die deutsche Misere vorbehalten).

Kostprobe aus der Nebelwerkstatt der Winkeladvokaten:

Die Nähe von Lars Mährholz (Mahnwachen-Funktionär. H.L.) zu Nazis belegt Lederer (Mahnwachen-Kritiker aus der Linkspartei. H.L.) mit diesem Zitat: ‚Wie will man denn gegen die Nazis was machen, in Anführungszeichen, wenn man nicht mit ihnen redet? Wir können doch nicht weiter in dem Gedanken feststecken bleiben, wir müssen die Nazis bekämpfen oder sowas.‘ Soweit so wahr. Und trotzdem eine Fälschung. Denn das Zitat endet nicht mit einem Punkt, sondern mit einem Komma [...] und geht so weiter: ‚wenn, dann müssen wir die Gedanken in den Köpfen der Nazis bekämpfen.‘ Das unterstreicht er gleich noch einmal: ‚Wir können doch nicht die Menschen bekämpfen, wir müssen das Denken bekämpfen.‘“

Gehrcke/Reymann verteidigen ihren Klienten, indem sie ihn als Trottel präsentieren, dabei aber ihre Billigung seiner Gedankenstränge erkennen lassen. Vielleicht ist ihr Klient aber ein ganz Gerissener, der sich mit Gutmenschen liebkind machen will („bloß kein Streit!“). „Mit Nazis reden“ und „Wir können doch nicht weiter in dem Gedanken feststecken bleiben, wir müssen die Nazis bekämpfen“. Anders gesagt: Faschismus ist kein Verbrechen, sondern eine Meinung.

Da schreibt man sich die Finger wund, um die Verwobenheit der Friedens-Wahnmacher mit der Neuen Rechten ans Licht zu bringen, und dann servieren Gehrcke/Reymann den Beweis auf einem Silbertablett. Ich mache nur wieder die Erfahrung, daß ich meiner Sache damit am meisten diene, indem ich meine Gegner zu Worte kommen lasse.

„‘Lügenpresse‘ gehört nicht zu unserer Denkungsart und unserem Wortschatz, aber wir haben 1968 Springer blockiert unter dem Motto ‚BILD lügt‘.“ Distanzierung, die die Distanzierung von der Distanzierung beinhaltet. Und Pegida als die Erben der APO. Das will ich nicht gehört haben.

Unter der Überschrift ‚Verschwörungstheoretiker kapern Friedensdemo in Berlin‘ berichtet die Berliner Zeitung [...] und macht unter den Teilnehmenden ‚reichlich Verschwörungstheoretiker, Antisemiten, Neurechte und Paranoiker‘ aus. Belege liefert das Blatt nicht; dafür springt die taz [...] ein.“ Der einen Zeitung wird angekreidet, daß sie keine Belege liefert, der anderen wird angekreidet, daß sie die Belege liefert, die die andere nicht geliefert hat? Man wird aber auch nirgendwo einen Beleg dafür finden, daß die Leute, die im Park spazieren gehen, Spaziergänger sind. Teilnehmer einer Demonstration von Verschwörungstheoretikern, Antisemiten, Neurechten und Paranoikern darf man mit Fug Verschwörungstheoretiker, Antisemiten, Neurechte und Paranoiker nennen.

Die inflationäre Beschuldigung ‚Verschwörungstheorie‘ kann zu einem Knüppel gegen unabhängige und unbequeme Recherche werden.“ In der Tat! Aber das inflationäre Vorbringen von Verschwörungs-„Theorien“ hat einen nicht minder fatalen Effekt. Die Tatsache, daß es in der Geschichte Verschwörungen gegeben hat, ist allerdings kein Beweis dafür, daß jede Verschwörungstheorie richtig ist, und erst recht kein Beweis dafür, daß alles eine Verschwörung ist. Die Tatsache, daß der Verfassungsschutz (oder die CIA) Agenten einsetzt, ist kein Beweis dafür, daß jeder, der kein Fanatiker ist, demnach ein bezahlter Agent sein muß.

Das ‚Zinssystem‘ für den Dreh- und Angelpunkt der Systemkritik zu halten, ist nicht marxistisch, aber es ist per se auch nicht rechts. Es KANN rechts werden, wenn noch andere Faktoren dazu kommen, namentlich Rassismus.“

Aber wo begegnet man denn heute noch dem klassischen, herkömmlichen Rassismus? Die Neurechten sind moderner und schlauer als uns lieb sein kann. Von „Herrenrasse“ und „minderwertigen Rassen“ ist in Rassistenkreisen längst nicht mehr die Rede, sondern von „Kulturen“. Man hat doch nichts gegen die Fremden. Aber die sollen uns mit ihrer Kultur nicht überfordern, sondern ihre Neugeborenen auffressen und ihre Ziegen ficken, wo sie herkommen. Hier bei uns ist es nicht üblich, Neugeborene aufzufressen und Ziegen zu ficken. Gehrcke/ Reymann haben eine Alarmanlage installiert, die den Vorteil hat, daß sie nie losheult.

Besonders populär wird in den folgenden Wochen der Begriff Querfront. Er bezeichnet den Versuch, rechte Inhalte in linke Bewegungen zu schleusen.“ Und was sagt man dazu? Eigentlich nichts. Sondern: „Der Querfrontpolitik verdächtigt zu werden, konnte unter Stalin tödlich enden. Karl Radek [...] wurde im 2. Moskauer Schauprozess 1937 Querfrontpolitik vorgeworfen, in der Haft wurde er erschlagen. Auf diesem Hintergrund sollten Linke den Vorwurf mit Bedacht verwenden.“ Kein weiterer Kommentar vonnöten. Historische Parallelzüge werden aber noch öfter verblüffen.

Doris Pumphrey spannte einen großen Bogen: „möchte ich an den VII. Kongress der Kommunistischen Internationale 1935 in Moskau erinnern“ bis zu „Die Kampagne gegen die Mahnwachen erinnert in ihrer Art sehr an den ‚geheimen Krieg‘, den das FBI unter der Bezeichnung Cointelpro gegen die Opposition in den USA geführt hatte. ... Von den vielen Methoden des FBI [...] sei hier nur eine erwähnt: ‚Maßnahmen zur Förderung von Uneinigkeit und Streit‘. Auch wenn die Anfänge der Montagsmahnwachen und die Beteiligung von Rechten und obskuren Leuten Skepsis auslösen musste, ist die Heftigkeit und die unehrliche Art und Weise der Kampagne gegen sie – die von Teilen der ‚alten‘ Friedensbewegung unisono mit den Kriegshetzern in den Medien geführt wird – erschreckend. Das hat auch Züge einer Hexenjagd à la McCarthy.“ So tief würde Doris Pumphrey natürlich nie sinken. Höchstens, daß sie mal behauptet: „Die Kampagne gegen die ‚Mahnwachen für den Frieden‘ wurde von Antideutschen losgetreten.“ Wie bitte? „Ausgelöst wurde die Kampagne gegen die Friedensmahnwache durch die bekannte ‚Antideutsche‘ Jutta Ditfurth.“

Was habe ich gesagt? Die Gründliche Aufklärung über die „Antideutschen“ (siehe DER METZGER 63-66) war gar nicht erwünscht, weil damit zu viel taktisch einsetzbare Unklarheit beseitigt wurde. Ins Licht gestellt ist der Feind wertlos. Man braucht ihn in Nebel eingehüllt, damit man jeden, den man nicht mag oder nicht versteht, in diesen Dunstkreis hineinschieben kann. So funktioniert Manipulation: Wenn man eine besonders unglaubwürdige Behauptung verbreiten will, schreibt man das Adverb „bekanntlich“ hinein. Da Jutta Ditfurth zwar durchaus keine „Antideutsche“ ist, aber als „Antideutsche“ gebraucht wird, wird sie flugs zur „bekannten Antideutschen“ erklärt.

Aus dem Spannungsbogen zwischen charakterlicher und intellektueller Inferiorität der Frau Pumphrey hier noch ein paar Zitate aus ihrem Vortrag, den sie – das werde ich nicht verschweigen – im „Marx-Engels-Zentrum“ in Berlin gehalten hat:

Einige meinen, die Friedensbewegung [...] dürfe nicht den Anschein geben, mit einem kapitalistischen Russland in einer gemeinsamen Antikriegsfront zu stehen, denn es gehe hier um ‚einen Kampf zwischen kapitalistischen Ländern‘. Nach dieser Logik hätte die Sowjetunion keine Anti-Hitler-Koalition mit imperialistischen Staaten eingehen dürfen.“ Die Anti-Hitler-Koalition werden wir bestimmt nicht wiedererwecken. Die bombastischen historischen Vergleiche dienen doch eigentlich dazu, sich über die eigene weltgeschichtliche Bedeutungslosigkeit hinwezutäuschen. Dabei meinen einige doch nur, daß man mal diskret darauf hinweisen muß, daß Putins Rußland nicht mehr die Sowjetunion ist. „Einige meinen, die Friedensbewegung dürfe nicht nur die USA sondern müsse auch Russland als Kriegstreiber benennen. Mit der Realität hat das nichts zu tun.“ Mir scheint eher, daß Frau Pumphrey mit der Realität nichts mehr zu tun haben will. Hier wurde nie „Äquidistanz“ verlangt (siehe DER METZGER 109), wohl aber eine in alle Richtungen kritische Betrachtung. Zugleich hat die enge Anlehnung europäischer Faschisten an Rußland viel mit der Realität zu tun (siehe DER METZGER 113).

Es habe sich „immer wieder gezeigt, daß die Friedensbewegung immer nur dann erfolgreich war, wenn es ihr gelang, Ausgrenzungen zu vermeiden und Menschen mit unterschiedlichsten weltanschaulichen Positionen hinter ihren Forderungen zu vereinen.“ In der Tat haben in der Friedensbewegung Atheisten mit gläubigen Christen, Anhänger der absoluten Gewaltlosigkeit und Anhänger revolutionärer Befreiungstheorien, Anarchisten, Marxisten und Pazifisten miteinander gewirkt. Im aktuellen Streit geht es hingegen um etwas ganz anderes, nämlich darum, daß die Friedensbewegung die Flanke nach rechts öffnet und im Begriff ist, den Christen, Atheisten, Anarchisten, Marxisten und Pazifisten auch noch Reichsbürger, Verschwörungsparanoiker und Neurechte hinzuzufügen. Frau Pumphrey findet sogar, es sei ein „ganz normaler Vorgang, daß dort auch rechte Kräfte versuchen, Einfluss zu gewinnen. Normal für Linke ist allerdings nicht, dass sie so etwas wie ein moralisches Kontaktverbot ausgeben.“ Versteh‘ ich das richtig? Mit dem Antifaschismus soll man es nicht zu weit treiben. „Anstelle von Pauschalisierungen und Diffamierungen, muß die jeweils notwendige faire politische Auseinandersetzung treten. Nur so können wir den Kriegstreibern in Politik und Medien einen Strich durch die Rechnung machen in ihrem Bemühen, die Antikriegsbewegung zerstritten, klein, unbedeutend und ineffektiv zu halten.“ Soll heißen: Die Schwäche der Friedensbewegung ist das Werk der Kriegstreiber (denen die gar zu kritischen Geister in die Hände spielen). „Nicht die Wirrköpfe schaden der Sache, sondern die Kritiker“, sagten die Wirrköpfe.

Daß der Friedenswinter den gewünschten Höhenflug nicht brachte, hat Frau Pumphrey mitgekriegt, und sie erklärt: „Viele, die sonst zu Friedensdemonstrationen kommen, ließen sich einschüchtern und blieben weg.“ Ach so!

Eines ist deutlich: Die Mahnwachen sind eine politisch unerfahrene Bewegung mit z.T. sehr diffusen Vorstellungen. Jede junge und politisch diffuse Bewegung braucht auch ihre Zeit, um sich zu sortieren, einen Klärungsprozess durchzumachen. Warum wird ihr nicht mal das zugestanden bzw. warum werden positive Veränderungen nicht mal wahrgenommen?“

So unerfahrene Anfänger sind die Wahnmacher gar nicht, jedenfalls ihre Anführer. Aber Frau Pumphrey meint, es wären Anfänger, und denen müsse und könne man alles nachsehen. „Wir“ hingegen sind klug und erfahren, und wir werden von Tag zu Tag klüger und erfahrener. Das sehe ich nicht so. Die Geschichte der Friedensbewegung und der linken Bewegung in Deutschland ist eher eine Geschichte des Niedergangs, des degenerierenden ästhetischen Anspruchs, des Realitäts- und Relevanzverlustes (und als Gründer der Buchhandlung Weltbühne füge ich hinzu: der Analphabetisierung). Das ist die Entintellektualisierung der Linken!

Wer sein Leben im Ghetto am Rand lebt, ist ständig in Gefahr, Opfer seiner Selbsttäuschungen, seiner Fixierungen, seiner Realitätsverweigerung und seiner eigenen Phrasen zu werden.

In www.nrhz.de (Online-Medium und Forum diverser Narreteien) ist z.B. zu lesen:

Der Autor [...] behauptet, seine Darstellung sei begründet und belegt. Doch eine Analyse zeigt, dass dem nicht so ist. Eher drängt sich der Verdacht auf, dass mit dem Artikel das Geschäft der anderen Seite betrieben wird. Wir gehen dem Verdacht nach und erhalten einen Einblick, inwieweit die herrschenden Kräfte ‚linke‘ Organisationen und die Friedensbewegung im Griff haben.“ Urheber dieser Wahn-Vorstellung sind Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann (Überschrift: „Das Geschäft der anderen Seite“). Auf ihrem Husarenritt durch ihr Paralleluniversum lassen sie es richtig schallen: „Von Neonazis durchsetzt? Das transportiert eine perfide, unbelegte Behauptung, mit der das Friedenswinter-Bündnis diskreditiert wird. [...] Von einem nach rechts offenen Antimilitarismus in Gestalt des ‚Friedenswinter‘ ist die Rede. Das ist eine bösartige, unbelegte Behauptung. Zudem ist der Begriff ‚rechts‘ nicht definiert.“

Nicht definiert“. Jaja. Beweisen Sie mir mal, daß ich kein Kiwi bin.

Jutta Ditfurth, die seit Jahren systematisch Front macht gegen Kritiker des US-Imperialismus, hat sich den Herrschaftsmedien zur Verfügung gestellt. [...] Die TAZ ist ein Organ aus dem Spektrum der Herrschaftsmedien, die Feindbilder schüren und damit zum Krieg aufstacheln. Einer solchen Zeitung ein Interview zu geben, ist bedenklich. [...] Anti-Friedenswinter-Beschluss der VVN-BdA vom 29. November 2014. Dabei ist es nicht schwer zu erkennen, was es mit diesem Papier auf sich hat. Die Formulierungen aus dem Propaganda-Arsenal des US-Imperialismus sind nicht zu übersehen. [...] ‚Querfront heißt heute Jutta Ditfurth oder Monty Schädel.‘ Das sind deutliche, harte Worte. Aber sie treffen den Kern des Problems. Das Problem ist, wenn Funktionsträger, die sich der Linken oder der Friedensbewegung zurechnen, sich in einer Front mit den Herrschenden bewegen. [...] Die TAZ ist ein Organ des Imperialismus.“

Da bleiben ja nicht mehr viele übrig, wenn diese beiden Verrückten alle, die das Geschäft der anderen Seite betreiben, hinausgesäubert haben. Das „breite Bündnis“ erweist sich mal wieder als recht schmal geraten, und noch entsetzlicher als die Neurechten, die jetzt in der Friedensbewegung mitmachen sollen, kommen mir die Altlinken vor, die ihnen die Tür offenhalten. Die ganzen „unbelegten Behauptungen“ sind natürlich längst belegt, besonders ausführlich im METZGER.

Wenn Demagogen Demagogen Demagogen nennen! „Es ist eindeutig falsch, Kräfte aus dem rechten Spektrum und eine Initiative wie Endgame in einen Topf zu werfen. Die ‚Engagierten Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas‘ (abgekürzt Endgame) sind eine Initiative, die als Gegenpol zu den Demagogen von Pegida (‚Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes‘) entstanden ist und die den Blick statt auf die Pseudo-Bedrohung durch den Islam auf die reale Bedrohung durch den US-Imperialismus richtet.“ METZGER-Leser sind da besser informiert.

Den Gipfelstürmern des Idiotenhügels Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann will es einfach nicht in den Kopf rein, daß mit dem Herrn Jebsen auch gleich der ganze rechte Rattenschwanz mit eingetreten ist, der an ihm dran hängt. Der hat aber in einer Rede gesagt: „Und wo ist der Feind in diesem Land? Ich möchte es euch sagen: Unser Feind ist die sogenannte linke Presse. Das ist der Feind. Das ist die Querfront. Die Querfront heißt heute taz. Das ist die Querfront. Die Querfront heißt heute Jutta Ditfurth oder Monty Schädel. [...] Denn der Faschismus kommt natürlich, indem der sagt: Das ist der Antifaschismus.“ In derselben Rede meinte er auch, Rechtsradikale seien „das kleinste Problem in diesem Land“.

Das sind Worte, mit denen man bei denen, an denen eine Kontrollkommission verloren ging, in Ungnade fällt:

Monty Schädel: „Nationalisten, Antisemiten, Rassisten gehören ebenso wenig zur Bewegung wie Personen mit anderen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in ihren Äußerungen und Handlungen. Auch die aktuelle Erfahrung lehrt: Sobald in diese Richtung die Tür einen Spalt weit geöffnet wird, gibt die Friedensbewegung ihre Prinzipien preis. Für uns ist es nicht nur von Bedeutung, gegen den Krieg und für den Frieden allgemein, gegen Rüstungsproduktion, gegen weltweiten Waffenhandel, gegen Drohneneinsätze, gegen die Militarisierung im Innern und die Rekrutierungen der Bundeswehr in Schulen, für zivile Konfliktlösungen und zivile weltweite Entwicklungen zu demonstrieren und einzustehen. ENTSCHEIDEND ist dabei, daß das auf der Grundlage der umfassenden Ablehnung von Faschismus, Krieg und Gewalt erfolgt.“


P.S.: In manchen Kontroversen in linken Kreisen agieren die Kontrahenten, so gegensätzlich sie auch in Erscheinung treten, nicht konträr, sondern komplementär. Was täten die „antideutschen“ Israel-Stalker nur ohne die „antiimperialistischen“ Israel-Hasser? Sie brauchen sich gegenseitig, weil ihnen sonst die eigene Existenz glatt entgehen würde.

In der Meinungs- und Bewußtseinsindustrie (die durchaus keine Verschwörung ist, sondern ein Gewerbe) liegen Leute ständig auf der Lauer, die enthüllen wollen, daß Linke und Rechte zusammenwirken bzw. sogar aus einem Stoff sind. Insbesondere wollen sie „beweisen“, daß der Antisemitismus nicht nur „auch“ von links, sondern „nur“ von links kommt. Gegenwärtig ist die Linke so eifrig wie nie zuvor damit beschäftigt, die Lauerlieger reichlich mit Stoff zu füttern. Die Kontroversen über den Nahostkonflikt sind ein Minenfeld, über das einige Leute mit verbundenen Augen und mit dem sonnigsten Gemüt von der Welt einherschreiten in der festen Gewißheit. „Wir sind die Guten.“


Der Autor dieses Artikels ist Vorsitzender der DFG-VK-Gruppe Duisburg.






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