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DFG-VK Gruppe Duisburg
Stand: 7.3.2024

Inhalt und Impressum


Deutsche Friedensgesellschaft
Vereinigte Kriegsdienstgegner
Gruppe Duisburg

c/o Buchhandlung "Weltbühne"
Gneisenaustr. 226
47057 Duisburg


„Wo bleiben die Massen?
Wir nehmen jeden.“

von Helmut Loeven




Dokument

Der Landesverband Nordrhein-Westfalen der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) erklärt:

Mit rechten und rechtsoffenen Kräften ist kein Frieden zu machen!

Rechte Beeinflussungsversuche der Friedensbewegung und die Übernahme von Friedensthemen, -losungen und-motiven durch rechte Gruppen sind auch in NRW unübersehbar. Das findet sich nicht nur in den Aussagen der AfD sondern auch z.B. im aktuellen regelmäßigen Auftreten der Gruppe „NRW erwacht“ mit monatlichen Demonstrationen zur Friedensthematik in verschiedenen Orten. Gruppen aus dieser Szene haben sich zuletzt beim Ostermarsch in Dortmund in den Demozug gedrängt. Dort war die Gruppe „Demokratischer Widerstand Dortmund“ mit mehreren Personen und Fahnen vertreten. Diese Gruppe wurde wenige Wochen später bei der Demonstration von „NRW erwacht“ in Bochum beobachtet.

Anfang des Jahres gründete sich unter dem Namen „Friedensbündnis NRW“ ein Zusammenschluss von Gruppen mit deutlichen Bezügen zu rechten Szene und mit verschwörungstheoretischen Ansätzen. Damit wollen wir nicht sagen, dass Gruppen in dem Zusammenschluss oder deren Mitglieder selber rechts sind. Aber eine deutliche Abgrenzung gegen rechts ist nicht zu erkennen.

Eine Klammer zwischen eindeutig rechten Gruppen und dem „Friedensbündnis NRW“ ist die neu gegründete Partei „Die Basis“. Sowohl die Sprecherin des „Friedensbündnis“ als auch mehrere weitere Akteure sind Mitglied dieser Partei. Die Sprecherin des „Friedensbündnis NRW“ beklagte sich selber über das Wirken rechte Kreise in ihrer Partei.

Wir als DFG-VK Landesverband NRW betonen ausdrücklich, dass es keine Zusammenarbeit mit den oben beschriebenen Gruppen geben kann und somit auch nicht mit dem „Friedensbündnis NRW“. Die oberflächliche Übereinstimmung von Friedensparolen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in der politischen Positionierung deutlich unüberbrückbare Differenzen gibt, vor allem in der fehlenden Abgrenzung gegen rechts. So sehen wir eine Kette von Überschneidungen in Parolen und Personen, die von der AfD und „NRW erwache“ über die „Basis“ und Querdenkergruppen bis zum „Friedensbündnis NRW“ führt.


FAKTENCHECK

Bericht in der taz (7.4.2023): „Nicht wenige stört, dass Querdenkergruppen wie die Partei Die Basis oder die Freien Linken bei den Märschen dabei sind. In Hamburg und Fulda zog der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) deshalb seine Unterstützung für den Ostermarsch erstmals zurück, in Hamburg, Berlin, Potsdam und Magdeburg auch Die Linke.“ Die taz zitiert Kristian Golla, Geschäftsführer des Netzwerks Friedenskooperative: „Coronaleugner wollen ihre Verschwörungsideologie verbreiten und suchen dafür Mitstreiter. Denen geht es nicht um Frieden. Genauso die AfD: Die will eine starke Bundeswehr aus nationalistischen Gründen. Die Friedensbewegung aber ist klar internationalistisch, für Ausgleich, für Minderheitenschutz. Das ist das Gegenteil der AfD. Parteien wie Die Basis oder Team Todenhöfer sind rechts offen.

In dem taz-Artikel heißt es über das sogenannte Friedensbündnis NRW: „Auf seinem Telegram-Kanal ist die Rede von einem ‚neuen und großen Teil der Friedensbewegung‘, der ‚aus der Grundrechtebewegung gegen die regierungsoffiziellen und höchst profitträchtigen Corona-Maßnahmen hervorgegangen‘ sei. Klarer kann man nicht sagen, dass man seine Wurzeln bei den Querdenkern hat. Die ‚hauptamtlichen Ostermarschorganisatoren‘ werden als ‚NATO-fromm‘ kritisiert. Antifa-Recherchegruppen sprechen von ‚weit nach rechts offenen Strukturen‘ – mit Blick auf Teile des Bündnisses wie etwa die Düsseldorfer Außerparlamentarische Opposition (APO) oder ‚Oberberg bewegt sich‘. Auf dem Telegram-Kanal von ‚Oberberg bewegt sich‘ wird Robert Habeck als ‚Auftragskiller zur Zerstörung deutscher Industrie‘ bezeichnet, der Holocaust als Lüge, die Pandemie als Märchen. Videos über den angeblichen ‚Great Reset‘ – den wichtigsten Verschwörungsmythos der extremen Rechten – teilt die Gruppe munter.“

Aus solchen Akteuren also besteht das Friedensbündnis NRW. Am 25. März organisierte es in Düsseldorf eine Kundgebung unter dem Motto „Diplomaten statt Granaten! Verhandeln jetzt!“. Hauptredner war das Ex-Linke-MdB Diether Dehm, aufgerufen hatte unter anderem die Querdenkerpartei Die Basis. Am Rande protestierten Antifas. Weil die Polizei sie nicht so vertrieb, wie die Friedensfreunde sich das vorstellten, sprachen diese hinterher von einer „anhaltenden Instrumentalisierung staatlicher Exekutivorgane für Repressalien gegen eine unerwünschte regierungskritische Opposition“ – gemeint waren sie selbst. Die Polizei sei ein „Handlanger der Antifa“.

2021 erschien der „Neue Krefelder Appell“, ein Manifest, das an die millionenfach unterzeichneten (echten) Krefelder Appell gegen den Nato-Doppelbeschluss von 1981 anzuknüpfen vorgibt. In der Neuauflage war von „immer aggressiver werdenden gegen Russland und China gerichteten Manövern“ zu lesen, und davon, daß die „Machthaber dieser Welt“ Kriege auch an „neuen, andersartigen Fronten“ führten. So sei die „ ‚Impf‘-Kampagne eine große Gefahr für Milliarden von Menschen“. Dahinter stehe – jetzt kommt’s! – „die Strategie des ‚Great Reset‘ (…), mit dem der Kapitalismus über einen gezielten Zusammenbruch (…) auf eine noch perversere Stufe gehoben werden soll“.

Unterschrieben haben das rund 6.000 Menschen, darunter der Theologe Eugen Drewermann und der AfD-Bundespräsidentschaftskandidat Max Otte. Mehr Querfrontsprache und Unterstützerschaft sind nur schwer vorstellbar.

Verantwortlich für den Appell ist das Alptraumpaar Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann, die sich die Gruppe Arbeiterfotografie unter den Nagel gerissen haben und die sich selbst dem Friedensbündnis NRW zurechnen. Den Begriff Querfront nennen sie ein „strategisches Instrument zur Zerschlagung einer kraftvollen, breiten Friedensbewegung“.

Sevim Dağdelen, MdB (Die Linke) und Wagenknecht-Vertraute, wird zitiert: „Selbstbewusste Linke“ sollen „aufhören, ständig aufzuzählen, wer alles nicht zu einer Antikriegskundgebung kommen darf, und in übler Verfassungsschutzmanier einen Gesinnungs-TÜV zu veranstalten“.

Antifaschismus als Verfassungsschutzmanier, Antifaschismus als Gesinnungs-TÜV. Wer sowas am Kopf hat, erwartet wohl keine Antwort.


DOKUMENT

Am 17. Juni 2023 hat der Landesausschuss der VVN-BdA NRW beschlossen:

Wir lehnen eine Zusammenarbeit mit dem Friedensbündnis NRW ab.

Das ‚Friedensbündnis NRW‘ hat, an den klassischen Friedenskräften vorbei, eigene Aktivitäten entwickelt (z.B. Demos in Düsseldorf am 11. Februar bzw. am 25. März und 17. Juni). Besonders aus dem Raum Düsseldorf haben sich auch Mitglieder der VVN-BdA an diesen Demonstrationen beteiligt. Darauf angesprochen waren ihre Argumente: Die Aussagen des Bündnisses zu Frieden und Abrüstung seien völlig in Ordnung. Darüber hinaus dürften die Teilnehmenden nicht den Rechten überlassen werden. Laut der Zeitschrift TERZ 06.23 setzt sich das Friedensbündnis NRW derzeit aus 19 Gruppierungen zusammen. Mit ihrer ‚AG Frieden‘ ist die Partei dieBasis Teil des Bündnisses. Mona Aranea, Pressesprecherin der Partei dieBasis fungiert als Sprecherin des Bündnisses.

Welchen Charakter die Partei dieBasis hat, kann in der Antifa Ausgabe März/April 2023 | Seite 8 nachgelesen werden. Angefügt haben wir auch eine Ausarbeitung der DfG-VK NRW: „Warum wir gegen eine Zusammenarbeit mit dem Friedensbündnis NRW sind“. Daraus ergibt sich für uns kein Zweifel, dass es sich um eine rechtsesoterische Partei handelt. Sie versucht das Thema Frieden zu besetzen und bedient sich dazu der Argumente der Friedensbewegung.

Wie ist es mit dem Potential zur Mobilisierung dieser rechtsesoterischen Kräfte bestellt?

Die Teilnehmenden an diesen Aktivitäten sind keineswegs Menschen, die den Rechten auf den Leim gegangen sind. Sie haben sich bewusst entschieden. Es scheint, dass einige VVN-Mitglieder durch Beteiligung an den Aktivtäten des Friedensbündnis NRW glauben, deren Potential auf die Seite der Friedenskräfte ziehen zu können. Es ist jedoch eher zu vermuten, dass die Teilnahme an diesen Aktivtäten sie sogar noch bestärkt und nicht zu einer Umorientierung nach links führt. Umfragen belegen, dass die AfD, wenn heute Wahlen wären, 18-20% Stimmen erzielen würde. Es kann nicht sein, den rechtsoffenen Kräften entgegenzukommen, indem ihnen sogar eine Plattform geboten wird, wie es zum diesjährigen Ostermarsch versucht wurde.

Völlig unverständlich ist es, warum VVN-Mitglieder gezielt Kontakt zu einer nach Rechts offenen Gruppe suchen. Dabei gehen sie sogar so weit, auf deren Veranstaltungen einen Redner zu stellen, wie am 25. März und am 17. Juni in Düsseldorf. Warum wird nicht die gleiche Energie aufgewendet, mit bedeutenden Akteuren ins Gespräch zu kommen? Das wirkliche Potential, mit dem den Kriegstreibern und Rechten entgegengetreten werden kann, haben bei uns vor allem die Gewerkschaften. Auch wenn es noch nicht um unsere Themen geht, beweisen die Streiks zum Beispiel im öffentlichen Dienst was möglich ist.

Wir verurteilen rechte und nach rechts offene „Friedens"-Aktionen und halten daran fest: Die Tür der Antifa- und Friedensbewegung nach Rechts bleibt geschlossen. Die VVN-BdA verurteilt alle Angriffskriege, die des Westens wie die Russlands. Sie ist überparteilich, lässt sich von keiner Partei vereinnahmen. Das hat sie im Umgang mit SPD, KPD und DKP gezeigt und sie betont es auch gegen Partei dieBasis. Letzteres auch wegen deren zweifelhaften Beziehungen gegenüber Rechts, Reichsbürger usw. Wer direkt oder indirekt bei AfD oder diebasis oder ähnlichen Kräften andockt, begibt sich auf den Weg in den Rassismus und Militarismus. Das beweist unter anderem das Militärpolitische Programm der AfD-Bundestagsfraktion.

'Nie wieder Krieg und Nie wieder Faschismus' gehören zusammen. Mit Ultrarechten für den Frieden eintreten? - das geht nicht. Als Bündnisorganisation verurteilt die VVN-BdA alle Versuche, die Friedensbündnisse in Kampfabstimmungen zugunsten rechtsoffener Kräfte zu verwickeln. Bündnisse existieren im vertrauensvollen Konsens und nicht in Grabenkämpfen.“

Die VVN-BdA wurde 1946/47 als Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) in allen vier Besatzungszonen gegründet. In ihr organisierten sich Frauen und Männer, die während der Naziherrschaft verfolgt wurden, den Holocaust überlebt, Widerstand geleistet haben oder vor dem Hitlerfaschismus fliehen mussten. Sie ist die älteste antifaschistische Organisation Deutschlands und verbindet Antifaschistinnen und Antifaschisten aller Generationen.


DOKUMENT

Interview mit Falk Mikosch, Sprecher des NRW-Landesverbandes der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN–BdA) in der jungen Welt 29.6.2023. Die Fragen stellte Henning von Stoltzenberg.

»Frieden und Antifaschismus sind als Einheit zu denken« VVN–BdA erteilt »Friedensbündnis NRW« Absage wegen fehlender Distanz zu Rechten.

jw: Der Landesausschuss der VVN-BdA NRW hat am 17. Juni beschlossen, die Zusammenarbeit mit dem Friedensbündnis NRW abzulehnen. Der Grund: Dort engagiere sich die Partei »Die Basis« mit ihrer AG Frieden. Was genau stört Sie aus antifaschistischer Sicht daran?

Falk Mikosch: Nicht nur die, sondern auch weitere der 19 Gruppierungen des Friedensbündnisses NRW grenzen sich nicht nach rechts ab. »Die Basis« mit ihrer AG Frieden stellt jedoch eine Klammer im Bündnis dar. Auf deren Homepage finden unter anderem Aussagen, dass nicht in Kategorien von rechts, links oder Mitte gedacht würde, sondern man den Konsens und Willen des ganzen Volkes vertrete. Dass ein Volk in wichtigen gesellschaftlichen Fragen geeint sei, erinnert an das Bild der »Volksgemeinschaft« im Naziregime. Die Realität ist jedoch eine andere. Wer solche Parolen streut, der ist dann eben offen für rechte Kräfte, die vom Volk und dessen einheitlichem Willen schwafeln.

jw: In einer Mitteilung der VVN–BdA NRW heißt es, wer an Veranstaltungen dieses Bündnisses teilnimmt, glaube, dessen »Potential auf die Seite der Friedenskräfte ziehen zu können«. Sie befürchten dagegen, dass die rechten Kräfte im Bündnis durch Teilnahme von VVN-Mitgliedern eher bestärkt würden. Wie kommen Sie zu dieser Schlussfolgerung?

Falk Mikosch: Leider können auch einzelne Mitglieder der VVN–BdA diesem Bündnis etwas abgewinnen. Wir müssten doch Brücken für diejenigen bauen, die auf die Rechten hereinfallen, heißt es. Den Rechten die Anhängerschaft abzujagen, kann jedoch nicht heißen, dass deren Akteuren eine Plattform geboten wird, wie es zum Ostermarsch in Düsseldorf versucht wurde. Den Rechten entgegenzukommen bedeutet deren Stärkung. Die AfD würde 18 Prozent erzielen, wären jetzt Bundestagswahlen. Die punkten, indem sie sich zum Beispiel an diejenigen ranwanzen, die für Frieden eintreten. Bei den Rechten gibt es jedoch immer einen Teil zwei. Ich empfehle, sich das militärpolitische Programm der AfD-Bundestagsfraktion mal anzuschauen.

Manche suchen das Heil darin, das Thema Frieden vom Antifaschismus zu trennen. Frieden und Antifaschismus müssen jedoch als Einheit gedacht werden. Aussagen wie, die Gefahr für eine Eskalation bis hin zum Atomkrieg wäre so ernst, dass man Bündnisse sogar bis hin zu Kadern der AfD schmieden müsse, gehen gar nicht. Ich vermute mal, dass die Strategen der AfD sich ins Fäustchen lachen.

jw: In der Mitteilung zum Beschluss vom 17. Juni heißt es, Friedensbündnisse sollten nicht in Grabenkämpfe »zugunsten rechtsoffener Kräfte« verwickelt werden. Was ist mit Auseinandersetzungen zugunsten linker Kräfte? Immerhin dürfte klar sein, was mit diesen Zusammenschlüssen passiert, sollte am Ende den Rechten das Feld überlassen werden.

Falk Mikosch: Bündnisse funktionieren nur, indem Kompromisse eingegangen werden, die das reale Kräfteverhältnis widerspiegeln. Die Rechten biedern sich an und wollen sich als normale, wählbare Alternative präsentieren. Unsere Landesvereinigung macht da nicht mit.

jw: Auf welche Kräfte und Bündnispartner setzen Sie statt dessen, um sich Krieg und Militarisierung entgegenzustellen?

Falk Mikosch: Wir sind Partner der Friedensversammlung Rhein/Ruhr. Aktuell beginnen die Vorbereitungen für die Proteste gegen das sogenannte Zentrum Luftoperationen der Bundeswehr und der NATO in Kalkar/Uedem. Dieser Militärstandort spielte die zentrale Rolle in der jüngst beendeten Großübung »Air Defender 2023«, an der 25 Länder teilnahmen.

jw: Welche Projekte verfolgt die VVN-BdA in NRW außerdem, um sich der Rechtsentwicklung entgegenzustellen?

Falk Mikosch: Die AfD tut alles dafür, als normale Partei wahrgenommen zu werden. Sie ist jedoch eine in weiten Teilen faschistische Partei. Die Option, bei den nächsten Bundestagswahlen mit in die Regierung zu kommen, ist real. Daher haben wir gemeinsam mit dem Bündnis »Aufstehen gegen Rassismus« Anfang Juni die Kampagne »Björn Höcke ist ein Nazi« gestartet. Wir wollen verhindern, dass die AfD als Alternative gesehen wird.


DOKUMENT

Brief von Cornelia Kerth, Bundesvorsitzende VVN-BdA

Die VVN-BdA ist nicht nur die älteste antifaschistische Organisation in Deutschland, sondern auch eine der ältesten Organisationen in der Friedensbewegung. […] Für uns sind Antifaschismus und Antimilitarismus untrennbar verbunden.

Als 2014 ein verschwörungsideologisches Netzwerk um den einschlägig bekannten Kopp-Verlag mit den »Montagsmahnwachen« als »Friedensbewegung 2.0« in Erscheinung trat, haben wir jede Zusammenarbeit mit diesen Kräften abgelehnt, deren »offene Mikrophone« Rechten aller Schattierung zur Verfügung standen. Andere Kräfte der traditionellen Friedensbewegung haben das nicht getan und mit dem jährlichen »Friedenscamp Ramstein« ein gemeinsames Format geschaffen. Dort fand auch schon im vergangenen Jahr eine »Vernetzungstreffen« mit z. T. weit rechts stehenden »Querdenken«-Repräsentant:innen statt, bei dem Reiner Braun eine zentrale Rolle einnahm. Nach Prominenz aus der Verschwörungsszene wie Daniele Ganser und Xavier Naidoo haben es in diesem Jahr auch der vormalige Vorsitzende der Werte-Union und Präsidentschaftskandidat der AfD, Max Otte, und der Gründer der »Wissensmanufaktur« und Lebensgefährte von Eva Herman, Andreas Popp, ins Programm einer »Friedenswerkstatt« geschafft. Verantwortlich zeichnet dafür der »Frieden-links«-Sprecher Karl-Heinz Peil.

Mindestens drei der »Frieden-links«-Sprecher, Peil, van Ooyen und Braun, waren beim vom Bundesausschuss Friedensratschlag im Dezember 2021 in Kassel veranstalteten Ratschlag dafür verantwortlich, dass dort die Partei »Die Basis« [...] auf sich aufmerksam machen konnte. Die Basis ist eine aus den »Querdenken«-Protesten hervorgegangene esoterisch-irrationale Partei, unter deren Mitgliedern Verschwörungserzählungen, antisemitische NS-Relativierungen und antidemokratische Positionen vertreten sind; auch ihr Spitzenkandidat zur Bundestagswahl 2021 war zuvor mit Holocaust relativierenden Formulierungen aufgetreten. Damit nicht genug: Für den Bundesausschuss Friedensratschlag saß mit Hermann Kopp ein Vertreter auf dem Podium, der »angesichts der Atomkriegsgefahr« selbst Bündnisse mit AfD-Mandatsträgern nicht ausschließen wollte.

Jede Kooperation mit Akteuren der extremen Rechten stärkt deren Position in der öffentlichen Wahrnehmung und verleiht ihnen Legitimität. Die Tür nach rechts muss nicht nur für die AfD zu bleiben, sondern auch für jene, die mit Chiffren und Andeutungen die Grenzen des Sag- und Machbaren nach rechts verschieben wollen. Metaphern, die letztlich eine »Volksgemeinschaft« herbeisinnieren und alle Übel der Welt einer kleinen Kaste von »Hintermännern« zuschreiben, gehören definitiv in diese Kategorie – und damit auch die Partei »die Basis«.

Mit unserer Kritik stießen wir beim Bundesausschuss Friedensratschlag auf taube Ohren und die unerhörte Unterstellung, unsere Vertreter würden für eine Spaltung der Friedensbewegung sorgen – sie würden gar in »Verfassungsschutzmanier« handeln.

Dahinter steht das Konzept einer Friedensbewegung, die den russischen Angriffskrieg und die notwendigen Konsequenzen daraus aus ihrer Perspektive und ihren Debatten ausblendet. Dafür ist eine Rechte, die in Putins Gesellschaftsmodell die Erlösung aus der »westlichen Dekadenz« sieht und als »deutsches Interesse« deklariert, möglicherweise eine Partnerin, die Massen auf die Straße bringen kann. Der Preis dafür scheint zu sein, dass man Debatten über Zins und Zinseszins und »erwerbsloses Einkommen« und Referierenden aus »Truther«-Kreisen wie Prof. Franz Hörmann einen Platz in der Ramsteiner »Friedenswerkstatt« einräumt.

Die Sprecher:innen der Initiative »Frieden-links« haben deutlich gemacht, dass Antifaschismus nicht länger zu ihrem Konzept von Friedensbewegung gehört. Ihr Ziel ist offensichtlich, den antifaschistischen Kampf aus der Friedensbewegung möglichst ganz zu verbannen.

Die VVN-BdA wird auch weiterhin der massiven Aufrüstung der Bundeswehr und der Militarisierung der Gesellschaft ebenso entgegentreten wie der »wertebasierten« Außenpolitik und dem europäischen Grenzregime. Wir werden auch weiterhin für die Stärkung der internationalen Institutionen, für Abrüstungsvereinbarungen und das Verbot von Atomwaffen eintreten. Wir tun das gemeinsam mit allen anderen in der Friedensbewegung, die wissen: Frieden und Antifaschismus gehören zusammen und die Tür nach rechts bleibt zu!

Und wir werden [...] in Magdeburg gegen den Parteitag der AfD demonstrieren, weil wir wissen, welche Gefahr sie darstellt. Die Lektüre ihres programmatischen Papiers zur »Streitkraft Bundeswehr« sei allen empfohlen, die sich mit ihr und/oder ihren Anhänger:innen eine Stärkung der Friedensbewegung vorstellen wollen.


Replik

Das Interview mit Falk Mikosch in der jungen Welt zog einen Rattenschwanz von aufgeregten, oft aggressiv-polemischen, mitunter geradezu irrsinnigen Leserkommentaren nach sich. Fazit: Die Lage ist ernst.

Auffällig ist die Tendenz in vielen dieser Kommentare, Russland in der Opferrolle zu sehen. In Wirklichkeit, so wird suggeriert, handele es sich um den Krieg der NATO gegen Russland.

Zwar wird – durchaus zutreffend – die „Osterweiterung der NATO“ als großes imperialistisches Projekt identifiziert, und es wird – durchaus zutreffend – auf das Wirken reaktionärer, nationalistischer, chauvinistischer Kräfte in und für die Ukraine verwiesen. Dies wird aber als Rechtfertigung der russischen Politik nicht in Frage gestellt.

Was ist mir das eigentlich für eine komische Friedensbewegung, in der sich das Empfinden breitmacht, Russland wäre doch gar nichts anderes übrig geblieben als ein Angriffskrieg …

Noch bedenklicher ist die – zumindest unterschwellige – Tendenz, Deutschland als „Vasallen“ zu empfinden, vom „extremen Vasallentum der BRD gegenüber den USA“ und von der „völligen Unterordnung nationaler Interessen unter die Interessen einer anderen Macht“ zu sprechen (anstatt, was zwar weniger theatralisch, aber zutreffender wäre, von Interessenkorrelationen, die ihre Ursachen und Merkmale haben, die entstehen und auch wieder vergehen können). – Was hierbei wieder zum Vorschein kommt, ist ein Appell an den Nationalismus, eine Angewohnheit der (west-)deutschen Friedensbewegung – ob aus (fragwürdiger) innerer Überzeugung oder aus (falscher) Taktik, Nationalstolz für sich nutzbar zu machen.

Treuherzig bemerkt Hans W.: Ein regressiv verkürzter Antifaschismus hilft nicht weiter. Ein drohender Atomkrieg stellt für die Menschen eine viel höhere Bedrohung dar als irgendwelche Leute mit dem falschen Parteibuch auf einer Kundgebung mit dem richtigen Ziel. Die Kundgebungen, welche vermeintlich »rechtsoffen« gewesen sein sollen, haben z.B. in München wesentlich mehr Menschen angezogen als jene mit sauertöpfischem Antifa-Reinheitsgebot. Offene Arme wirken eben immer sympathischer als fuchtelnde Zeigefinger. Umgekehrt zeigen die jüngsten AfD-Erfolge, dass eine Dämonisierung ihrer Wähler nicht weiterhilft – es wirkt eher wie die Rote-Socken-Kampagne der 90er Jahre als zusätzliche Stärkung einer unerwünschten Partei durch das politische Establishment. Das funktionierte damals gegen die PDS nicht – und auch heute gegen die AfD nicht.“

Antifaschismus als Spaßbremse („sauertöpfisch“). Antifaschisten als pingelige Pedanten („Reinheitsgebot“), die nicht mitgekriegt haben, in welche Richtung der Wind jetzt weht. PDS und AfD als (feindliche?) Brüder, als „unerwünscht“, als nicht unterzukriegende Störfaktoren gegen die Machenschaften der Etablierten (vulgo: „Die da oben“). Von den Etablierten hat dieser Leisetreter aber die Methode übernommen, für die Wähler der Rechten Verständnis zu bekunden.

Was will uns der eigentlich raten? Daß Demagogen besser ankommen als Aufklärer, hat er mitgekriegt. Also: Macht es wie die Demagogen? Das ist kein guter Rat.

Einen „fuchtelnden Zeigefinger“ hat noch kein Mensch gesehen.

Leserbrief von Roland W.:

Antifaschisten der ersten bis in die zweite Generation hinein wussten, [...] was Faschismus ist, wie, woraus er entsteht, nicht irgendwo sondern aus dem Kapitalismus heraus. […] Wer hat ein Interesse daran, Unklarheit in die Friedensfrage, zu Antifaschismus oder Antisemitismus zu tragen? Wessen Geschäft wird damit betrieben? Wer hat ein Interesse daran, die Friedensbewegung zu zerstören, zu spalten, zu diffamieren? [...] Was ist unser größtes Problem der Friedensbewegung? Sind es wirklich die Rechten, Faschisten oder Nazis, die uns »unterwandern« wollen?

Man bedenke: Die Nazis und Faschisten sind nie aus eigener Kraft nach vorn gekommen. Es waren immer Untertanenmentalität, Spießbürgerlichkeit, Opportunismus, Feigheit, Fremdenfeindlichkeit, Irrationalismus und Unwissenheit, die ihnen den Weg ebneten. Die Brandstifter hätten ohne die Biedermänner niemals ein Haus anzünden können.

Die Gretchenfrage allen linken Abmühens lautete stets: „Einheit oder Klarheit?“ Es scheint gar nicht möglich zu sein, darauf die richtige Antwort zu geben. Es scheint so zu sein, daß die beiden möglichen Antworten auf diese Frage beide falsch sind. Leider hat sich zumeist von den beiden falschen Antworten die falschere durchgesetzt. Einheit über alles! Im Gleichschritt Marsch! Lieber unklar als uneinig. Lieber mit Vielen als mit Klugheit. Werden Zweifel laut, wird dann nicht nach deren Gründen gefragt, sondern es wird vor fremden „Interessen“ gewarnt und danach gefragt, wessen „Geschäft“ betrieben wird. So entstehen Verschwörungsmythen.

Wer nicht „auf Linie“ ist, der ist ein Störer, oder ein Verirrter, schlimmstenfalls ein Verräter. Er „spielt dem Feind in die Hände“, oder, schlimmer noch, er „leitet Wasser auf seine Mühlen“!

Die „Linie“ kann auch morgen um 180 Grad gedreht werden, und dem ist dann Folge zu leisten. Es geht ja auch eigentlich gar nicht darum, ob „die Linie“ überhaupt richtig ist. Sondern: daß sie verbindlich ist.

Faschismus entsteht „aus dem Kapitalismus heraus“? Das ist ja nicht völlig falsch. Aber wenn das alles ist, dann ist das zu wenig. Als Horkheimer verlangte, wenn man von Faschismus spricht, müßte man auch über Kapitalismus sprechen, hat er ja nicht gesagt, daß dem nichts hinzugefügt werden dürfe.

Leserbriefschreiber E.R. zitiert (zumindest glaubt er, er würde zitieren):

Vergessen wir nicht, was Faschismus ist: Die »offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals«. Georgi Dimitroff formulierte damit ein historisch-wesenhaftes Gesetz.“

Jaja, das hört man oft: die Dimitroff-Formel.

Die Sache hat nur einen Haken: Das hat Dimitroff nie gesagt!

Das hätte doch längst mal auffallen müssen: Die Behauptung, der Faschismus sei die Diktatur (von Elementen) des Finanzkapitals ist doch so offensichtlich falsch! Das sieht doch ein Blinder mit dem Krückstock! Wenn in der Straßenbahn Linie 901 in Marxloh irgendwelche Skinheads eine türkische Frau mit Kopftuch anpöbeln – was hat das mit dem Finanzkapital zu tun?

In Wirklichkeit hat Dimitroff ja was ganz anderes gesagt. Dimitroff hat gesagt: „Der Faschismus AN DER MACHT ist die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.“ AN DER MACHT !

Dimitroff wollte gar nicht erklären (definieren) was Faschismus ist, sondern speziell den die Staatsmacht ausübenden Faschismus beschreiben.

Den Faschismus, einem falschen Zitat folgend, als bloße „bürgerliche Herrschaftsform“ darzustellen, ist ein populärer Irrtumer in der Geschichte der kommunistischen Bewegung mit fatalen Folgen. Zu verführerisch ist es, sich und anderen einzureden, den Faschismus besiegt zu haben, indem man ihm die politisch-ökonomischen Grundlagen weggezogen hat. In Wirklichkeit hatte es Faschismus schon vor 1933 und auch noch nach 1945 gegeben, und zwar auch in Ländern, in denen er nie an der Regierung war.

Leser Fred B. holt ganz weit aus: „Nachdem die PDL (gemeint ist die Partei Die Linke H.L.) mit früher 4,9 Prozent inzwischen droht, friedenspolitisch zum Totalausfall zu werden, andere linke Gruppen noch wesentlich kleiner sind, erhebt sich die Frage, was in der jetzigen Situation, zwei Minuten vor 12, noch gegen einen Weltkrieg unternommen werden kann.“

Ein Glück, daß Fred B. die Lösung hat: Verrückt werden! Nämlich so:

Es geht nicht darum, abgegrenzt, rein und makellos Flagge zu zeigen, sondern darum, praktisch die Katastrophe zu verhindern – jetzt. Dazu braucht man starke Bündnispartner, die man sich nicht backen kann, die möglichst stärker sind als man selbst. Die Sache eilt. Falls ihr bei VVN jetzt noch die reine Lehre bewahren wollt, dann wird auch euer Verein bald in radioaktiven Schutthalden versinken. Die Linke ist nicht in der Position, bei Bündnispartnern, die sich gegen einen Krieg mit Russland einsetzen, wählerisch zu sein, egal aus welchen Gründen beispielsweise die AfD dies tut. Aber es ist immerhin eine Kraft, die mehr Rückhalt in der Bevölkerung hat als ihr selbst. Noch nicht einmal die KPD hat es damals mit Abgrenzung geschafft – und die war zehnmal stärker als die jetzige Linke. Muss ich daran erinnern, dass die KPD unter Thälmann bis kurz vor Toresschluss sogar ein Bündnis mit der SPD ablehnte, den sogenannten »Sozialfaschisten«. Sie schwenkten dann um, aber viel zu spät.“

Was meint der? Will er sagen: Unsere Katastrophen sind die besseren?

Der fatale Fehler der Sozialfaschismus-Theorie soll jetzt durch das Gegen-Extrem korrigiert werden?

Eine Zeitlang wurde beschwichtigt, die paar Männekes! Aber jetzt sagt einer: Wir paar Männekes (und Fräukes)! Jetzt, da die radioaktiven Schutthalten über uns kommen – jetzt, um 11 Uhr 58, kann nur noch die AfD mit ihrem Rückhalt in der Bevölkerung uns retten!

Ich dachte immer, dieser Hufeisenflug, diese Tatalitarismus-Formel, daß alle Extremisten aus demselben Holze geschnitzet sind, stamme aus dem Studio der schwarzen Propaganda. Nein! Sie wächst auf eigenem Mist. Und sie wird zur Doktrin. denn dieser Fred B. ist ja nicht der einzige Bekloppte.

Geht es noch verrückter? Ja:

Um Hitler zu verhindern, hätte man zeitweise sogar mit dem etwas sozialeren »linken« Flügel der NSDAP zusammenarbeiten müssen, der dann nach Hitlers Machtantritt liquidiert wurde, wie KPD und SPD, oder mit bürgerlichen Parteien.“

Die NSDAP hatte keinen linken Flügel (auch nicht in Gänsefüßchen).

Wer könnte eigentlich gemeint sein, wenn vom „sozialen“, vom „linken“ Flügel der NSDAP die Rede ist? Sind das die, die beim sogenannten Röhm-Putsch degradiert, aus dem Weg geräumt wurden, namentlich die SA?

Zwar gab es in der SA Überläufer, die vorher bei der KPD waren, aber sie wurden zu Nazis, und die SA rückte nicht nach links. Die verrückte Idee, man müßte versuchen, SA-Männer in die KPD rüberzuziehen war selbstmörderisch, und sie begründete die irrsinnige Theorie, die Massenbasis der Faschisten sei ein fehlgeleiteter sozialer Protest.

Die SA war nicht dazu da, Hitler zu „verhindern“, sondern sie war eine Truppe von Schlägern und Mördern, um Hitlers Gegner zu „verhindern“. Als diese Drecksarbeit erledigt war, wurde sie im sogenannten Röhm-Putsch ausgeschaltet, um es der NSDAP leichter zu machen, die Reichswehr an sich ran zu ziehen.

Verglichen mit diesem Giftmischer Fred B. kommt Leserbriefschreiber Joachim B. betulich daher:

Realpolitiker – auch solche, die durchaus echte Sozialisten sind – wissen, dass man manchmal sogar mit dem Teufel paktieren muss, um Ärgeres verhindern zu können. Es gibt im Leben durchaus Situationen, die entschlossene Entscheidungen brauchen und keine akademische Schwarz-Weiß-Malerei. Was ist gewonnen, wenn die so sauber auseinandergedröselte Herrlichkeit samt und sonders im Orkus der Geschichte verschwindet, weil alle nur über Unterschiede sprachen, wo nach (wenn auch temporären) Gemeinsamkeiten gesucht werden musste?“

Jaja. Immer diese Beschwichtigungsformeln! Ist ja nur temporär. Die Geister, die wir rufen, die werden wir schon wieder los, keine Sorge! Wenn man vom Krokodil gefressen wird, ist das ja auch nur vorübergehend.

Dieser Leserbrief ist zuvörderst ein Lehrbeispiel dafür, was diese Links-nach-rechts-Akrobatik mit der Sprache anrichtet: „Entschlossene Entscheidungen“ (nicht: entschiedene Entschlossenheit?), akademische Schwarz-Weiß-Malerei, sauber auseinandergedröselte Herrlichkeit.

Doch undeutlich bleibt es nicht: die Furcht davor, im Orkus der Geschichte zu verschwinden!

Dessen sind sich die Streihähne einer Neuen Nationalfriedensbewegung nicht bewußt, aber es schwant ihnen: Von der Geschichte abgehängt, sich an trügerischen Gewißheiten festklammernd, dem Realitätsverlust verfallen.

Sie glauben, wenn sie auf dem Schachbrett (ich sollte besser sagen: auf dem Halma-Brett) Gruppierungen und Parteien zusammenschieben, würden neue Kräfte entstehen.

Sie erliegen einem doppelten Irrtum: Sie meinen, wenn wir mehr werden, werden wir stärker (je mehr desto mehr). Sie werden wenn sie mehr werden, nicht stärker, und sie werden auch nicht mehr.

Sie beklagen, daß sich heute weniger Menschen als früher ihren Aktionen, ihren Allianzen anschließen. Wenn das ein Resultat ihrer wirklichkeitsfremden Politik ist, wenn also, zum Beispiel, in Hamburg der DGB dem Ostermarsch die Unterstützung aufkündigt (siehe oben) und die Linkspartei das in einigen Städten ebenfalls tut, dann heißt es: Der DGB stehe der Bundesregierung sowieso viel zu nahe und die Linkspartei sei „NATO-hörig“ oder so.

Die Friedensbewegung müßte andere Galionsfiguren suchen als ausgerechnet das Duo Wagenknecht/Schwarzer. Die ex-linke Sahra Wagenknecht sammelt flüchtige Sympathien, indem sie in der Migrationspolitik und Randgruppenpolitik nach rechts schwenkt, angeblich zu Gunsten der Sozial- und Umverteilungspolitik. Aber davon redet sie auch nicht mehr, sondern über die bedrohte nationale Stärke.

Frau Schwarzer hat sich mit ihrem fanatischen Hass auf alles, was links ist, selbst charakterisiert und mit ihrer Frauen-in-die-Bundeswehr-Kampagne ihren Teil zur Militarisierung der Gesellschaft beigetragen. (Dabei geht es nicht darum, ob Frauen würdig oder fähig sind, Waffen zu bedienen, sondern daß es der „Frauenrechtlerin“ egal ist, wofür oder wogegen). Über ihren sexualpolitischen Rechtskonservatismus sprechen wir später.

Die Friedensbewegung hätte vielleicht eher eine Chance, den totalen Bedeutungsverlust zu vermeiden, wenn sie sich NICHT um neue Bündnispartner bemühen würde.

Es ist ein Irrtum, zu glauben, wo immer und womit auch immer sich Unzufriedenheit bemerkbar macht, könnte man Blumentöpfe gewinnen.

Es ist ein Irrtum, zu erwarten, daß die Friedensbewegung jemals wieder die Stärke und die Ausstrahlung zurückgewinnt, mit der sie in den 80er Jahren beeindruckte – mit der ihr verbliebenen und von ihr umworbenen neuen Anhängerschaft schon mal gar nicht.

Die Friedensbewegung, an die wir uns so gern erinnern, war stark durch ihre Größe und ihre Verschiedenheit. Bei aller Vielfältigkeit war sie progressiv und emanzipatorisch.

Die Friedensbewegung war ein Projekt der Modernen Linken. Die Moderne Linke war die intellektuelle Avantgarde in dieser Gesellschaft.

Eine Bewegung, die sich nicht entblödet, Nationalisten, Impfgegner, Corona-Leugner, Schwulenhasser, Klimaleugner, Querköpfe, Reichsbürger und Verschwörungsgläubige als Heilsbringer anzulocken, wird wenig zum Glück der Menschheit beitragen. Dahinter steckt keine Strategie, auch keine falsche, sondern Verzweiflung.

Wiglaf Droste hat mal gesagt (ich zitiere aus dem Gedächtnis): „Wenn sich herausstellt, daß wir mit unserer antifaschistischen Haltung 50 oder 60, 70, 80 Prozent der Bevölkerung gegen uns haben, dann ist das eben so!“

Unter solchen Umständen ist es wohl der größte Sieg (frei nach Adorno), von der eigenen Ohnmacht und von der überwältigenden Übermacht, der man ausgesetzt ist, sich nicht in Resignation, Verzweiflung und Wahnsinn treiben zu lassen.

Wer ein Leben lebt für Menschlichkeit und Gerechtigkeit, der wird gegen den Strom schwimmen müssen, ein Leben lang. Er wird auch Zuspruch ernten – nicht von vielen, aber von den Richtigen.

Laßt euch nicht betrügen. Macht euch schlau. Und richtet es ein, daß euch das Leben gelingt.






Der Autor dieses Artikels ist Vorsitzender der DFG-VK-Gruppe Duisburg.






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