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DFG-VK Gruppe Duisburg
Stand: 15.9.2005

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Deutsche Friedensgesellschaft
Vereinigte Kriegsdienstgegner
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Schon gewußt?

Auch die USA haben Massenvernichtungswaffen


„Wenn niemand schießt, wird halt zurückgeschossen.“ (Robert Gernhardt)


Viele scheinen der Meinung zu sein, es ginge eigentlich nur um die Frage, ob Irak durch militärisches Eingreifen oder „durch Inspektoren“ die Massenvernichtungswaffen abgenommen werden können und ob der irakische Gewaltherrscher Saddam Hussein mit solchen oder solchen Methoden entmachtet werden kann. Die Frage wird gern gestellt von denen, die Krieg - befürworten. Darum ist die Frage scheinheilig. Und allein deshalb wäre Aussageverweigerung zu empfehlen.

Oberflächlich betrachtet, handelt es sich um ein Duell zwischen Bush und Saddam Hussein. Wenn man diese Repräsentanten vor sich sieht (und als Repräsentanten muß man sie sehen) dann ist es schlechterdings nicht möglich, sich für die eine oder andere Seite zu entscheiden. Allein der Blick auf diese Repräsentanten widerlegt sowohl die Behauptung, daß da die (westliche) Zivilisation gegen (orientalische) Barbarei verteidigt wird, als auch die, daß da ein Führer der Dritten Welt dem Imperialismus die Stirn bietet. Irak ist eine „Republik der Angst“, ein Regime der Bespitzelung und Verfolgung. Sein Führer ist offenbar ein skrupelloser Machtmensch. Dennoch fragt man sich, wer von den beiden Führern eigentlich der modernere, aufgeklärtere, und welcher von den beiden der fanatischere ist. Der Vergleich dürfte für George W. Bush nicht gerade schmeichelhaft ausfallen. Wer von den beiden der dümmere ist, steht fest. Die Einschätzung von Nelson Mandela trifft wohl zu, daß George W. Bush „offensichtlich nicht richtig denken kann“. Bei Bush muß man Zweifel haben, daß er vom Intellekt her fähig ist, gleichzeitig Kaugummi zu kauen und geradeaus zu gehen. Zwar hat ein amerikanischer Journalist und Bush-Kritiker kürzlich eingewandt, Bush wäre sicherlich nicht so weit gekommen, wenn er wirklich so dumm wäre, wie manche glauben. Kann sein. Dann fragt man sich allerdings, warum ausgerechnet der Präsident der USA dauernd den Doofen spielt.

Nein: Die Dummheit ist eine notwendige Garantie für das Weiterexistieren des Kapitalismus. Offensichtlich gilt das nicht nur für die Untertanen.

Den modernen weltgewandten Vertreter westlicher Zivilisation nimmt man dem Präsidenten der USA nicht ab, noch nicht einmal im Vergleich mit dem Präsidenten Iraks. Vor allem hat der es nicht so mit der Religion. Es ist doch bedenklich, daß ein vernagelter Religionsfanatiker wie Bush, der sich für ein Werkzeug Gottes hält, über das größte Atomwaffenarsenal der Welt gebietet. Wer im islamischen Fundamentalismus die schlimmste Herausforderung unserer Zeit zu erblicken glaubt, sollte sich mal die idiotischen Sprüche von Bush anhören. Ob der den Unsinn, den er verzapft, selber glaubt, oder ob der das nur sagt, um die dümmsten seiner Landsleute für sich zu begeistern: was macht das für einen Unterschied? Der christliche Fundamentalismus in den USA hat nichts mit „Froher Botschaft“ oder Nächstenliebe zu tun, dafür umso mehr mit Apokalypse und Armageddon. Im protestantischen Fundamentalismus, von dem etwa ein Viertel der US-Bevölkerung ergriffen sein soll, ist der Völkermord geradezu vorprogrammiert. Solchen „Christenmenschen“ gilt das Leben eines Menschen gar nichts. Es leuchtet nicht ein, wieso ein Regime, das unter Curatel steht, gefährlicher sein soll als eine bis an die Zähne bewaffnete Supermacht, die von einem Trottel und einer Horde Rabauken angeführt wird.

Das Regime in Irak galt einmal als „progressiv“ - eine Einschätzung, die so nicht stehenbleiben kann. In der Tat ist das heutige Regime das Resultat einer bürgerlichen Revolution in einem Land der Dritten Welt unter den besonderen arabischen Bedingungen. Vor 50 Jahren waren die arabischen Länder, wenn sie nicht Kolonien waren, feudalistisch-rückständig. In einigen Ländern blieb der Feudalismus erhalten (Saudi-Arabien), in anderen vollzog sich die bürgerliche Revolution, als Sieg im Unabhängigkeitskampf (Algerien, Tunesien) oder als Überwindung monarchisch-feudalistischer Regime (Ägypten, Syrien, Irak, Libyen). Dort drängte die „nationale“ Bourgeoisie an die Macht - „national“ in Anführungszeichen, weil die Ideologie der arabischen Bourgeoisien der Panarabismus ist, der in der Baath-Partei am deutlichsten verkörpert ist. Daß das Militär bei der Überwindung des Feudalismus die herrschende Rolle spielte (auch Nasser und Ghadafi waren Offiziere), hat damit zu tun, daß in Ländern der Dritten Welt die Armeen bei der Herausbildung von Eliten geradezu ein Monopol haben. Die Gefahr, daß die bürgerlichen Regime zu Militärdiktaturen verkommen, ist jederzeit vorhanden.

Die erdölreichen, aber unterentwickelten arabischen Länder wollten mit der Idee einer panarabischen Nation, die vom Atlantik bis zum Persischen Golf reicht, Stärke gewinnen, und schwächten sich doch selbst durch die unaufhörliche Rivalität um die Führerschaft.

Saddam Hussein repräsentiert die zweite Phase des irakischen Baath-Regimes. Nach dem Putsch, der ihn an die Regierung brachte, wurden alle progressiven Ansätze liquidiert, und es wurde ein Regime errichtet, für das die Bezeichnung „bonapartistisch“ noch geschmeichelt wäre. Durch dieses Regime wird geradezu symbolisiert, daß der Versuch der arabischen Länder, die Entwicklungsstufe der Industrieländer zu erreichen, gescheitert ist. Dieses Regime hat als einziges Ziel den eigenen Machterhalt. Wer von der Diktatur in einem Land der Dritten Welt spricht, die Gewaltförmigkeit seiner Politik beklagt, sollte nicht von den Bedingungen schweigen, die diesen Ländern durch die Weltwirtschaftsordnung aufgezwungen werden und jede Entwicklung hemmen.

Beim Lavieren Iraks zwischen Ost und West war Saddam Hussein von Anfang an ein Mann des Westens. Seine Karriere begann er in den 50er Jahren als Agent des CIA, in dessen Auftrag er an Terror und Mord gegen Mitglieder der Kommunistischen Partei beteiligt war. Im Auftrag der USA und mit Waffen aus den USA führte er Krieg gegen Iran. Den USA war daran gelegen, das Mullah-Regime in Teheran wenn nicht zu beseitigen, dann wenigstens zu schwächen. Den USA war ebenso daran gelegen, daß ein Sieg über Iran ein Pyrrhussieg bleibt. Irak sollte Iran schwächen, ohne stark zu werden. Der CIA versorgte beide Seiten mit falschen Geheimdienstberichten über die Schwäche und Besiegbarkeit der anderen Seite, um zu erreichen, daß zwischen beiden Ländern ein langer Zermürbungskrieg geführt wird, der am besten gar keinen, und wenn doch, dann einen zermürbten Sieger hat. Die Massenvernichtungswaffen, von denen jetzt die Rede ist, hat Irak während des ersten Golfkriegs bekommen - von den USA und von Deutschland. Mit Billigung der USA überfiel Irak Kuwait, worüber sich Bush sen. scheinheilig empörte. Der Diplomat, der Saddam Hussein die Billigung der US-Regierung mitteilte, hieß übrigens Donald Rumsfeld.

Man muß Saddam Hussein und sein Regime nicht schätzen und schon gar nicht verherrlichen, um festzustellen, daß Irak die USA weder angegriffen hat noch bedroht. Nach dem Völkerrecht legitime Gründe für den Krieg der USA gegen Irak gibt es nicht.

Für den Krieg gegen Irak gibt es innen- und außenpolitische Gründe.

Innenpolitisch: Die US-Regierung muß nach dem „11. September“ der eigenen Bevölkerung (und der Welt) zeigen, daß sie in der Lage ist, „zurückzuschlagen“ (in welche Richtung, spielt keine Rolle). Wenn niemand schießt, wird eben zurückgeschossen. Nachdem in Afghanistan alles kurz und kleingeschlagen wurde, der Superterrorist bin Laden aber nicht geschnappt wurde, ist jetzt ein Ersatzfeind dran, an dem die US-Regierung ihre Aggressionen und Bushs Untertanen ihren Haß abreagieren können. Daß Irak mit dem „11. September“ nichts zu tun hatte, das Baath-Regime selbst Ziel des islamisch-fundamentalistischen Terrorismus werden könnte - wen interessiert's!

Außenpolitisch (will heißen: globalstrategisch): Den Wegfall der konkurrierenden Supermacht Sowjetunion wollen und müssen die USA politisch und ökonomisch ausnutzen. Rußland ist nicht mehr und China ist noch nicht stark, Ostasien steckt in der Krise, die Europäische Union hat sich noch nicht wirklich formiert, das OPEC-Kartell ist nachhaltig geschwächt. Die Gelegenheit ist günstig.

Die USA versuchen, die heißeste Krisenregion der Welt, den Nahen Osten also, vollständig zu kontrollieren, und sich so im Konkurrenzkampf mit dem europäischen Kapital Vorteile zu verschaffen. Wird der Nahe Osten mit seinen Ölreserven von den USA kontrolliert, haben die europäischen Industrienationen das Nachsehen. Daher, und nicht aus pazifistischen Regungen, rühren die europäischen Vorbehalte gegen den Krieg.

Um den „American Way of Life“, dessen Hauptmerkmal eine schier unbeschreibliche Energievergeudung ist, aufrechtzuerhalten, wird dieser Krieg geführt. Die USA fördern auf ihrem eigenen Territorium zwar mehr Erdöl als Saudi-Arabien, müssen aber Öl importieren. Die hochverschuldeten USA sind darauf angewiesen, die Ölimporte zu sichern, und zwar zu einem Preis, den sie selbst diktieren. Ob es den USA allerdings überhaupt gelingen kann, den Nahen Osten unter ihre Fuchtel zu kriegen, oder ob ihr Vorgehen das labile Gleichgewicht der Region zerstört (letztlich auch zum Schaden Israels) und den islamischen Terrorismus perpetuiert, ist eine Frage, über die nachzudenken man in Washington nicht für nötig hält. Dort werden Phrasen gedroschen von einer Beglückung der Araber durch amerikanische Wohltaten. Bush und seine Kamarilla wollen nämlich nicht nur, daß alles nach ihrer Pfeife tanzt. Sie wollen auch liebgehabt werden.

Unterdessen werden - man kennt das ja - der Friedensbewegung allerlei dumme Fragen gestellt.

Wie, wenn nicht mit Militär, - so lautet die Suggestivfrage - soll man denn sonst einem Diktator die Massenvernichtungswaffen abnehmen? Wie, wenn nicht mit Militär, soll man denn sonst einem Diktator die Macht nehmen?

Indem man ihn gar nicht erst hoch bringt! Die Frage, wie man denn ohne Krieg einen Diktator entmachten soll, wird gerade von denen gestellt, die ihm die Macht gaben oder die damit einverstanden waren, daß ihm die Macht gegeben wurde. Es ist müßig, darauf aufmerksam zu machen, daß die USA in den Jahrzehnten des Kalten Krieges Diktatoren und Gewaltherrscher förderten, beschützten, einsetzten als „Bollwerk gegen den Kommunismus“: Batista, Duvalier, Somoza, Stroessner, Thieu, Lon Nol, Suharto, Mobutu, Pinochet und so weiter. Franco und Salazar, die griechischen Obristen, das Apartheid-Regime in Südafrika, das Taliban-Regime in Afghanistan, ja auch Pol Pot in Kambodscha standen ebenso unter der Patronage der USA wie die Todesschwadrone in Uruguay, die Contras in Nicaragua, die marodierenden Mörderbanden der „Unita“ in Angola und auch die Gewaltregime in Kuwait und Saudi-Arabien. Auch Saddam Hussein hat im globalstrategischen Kalkül der USA seine Rolle gespielt. Und die Massenvernichtungsmittel, wo hat er sie her? Wie ist er darangekommen? Die Frage an die Friedensbewegung, wie denn dem Diktator die Massenvernichtungswaffen abgenommen werden sollen, ist illegitim. Die Friedensbewegung hat keine Waffen an Irak geliefert. Damit haben sich andere hervorgetan, vornehmlich die USA und deutsche Wirtschaftsunternehmen. Man erinnert sich noch gut daran, wie die Proteste der Friedensbewegung gegen Waffenexporte beantwortet wurde: Diese Proteste seien bloße „Gesinnungsethik“, die „Verantwortungsethik“ hingegen gebiete, auch den „Wirtschaftsstandort Deutschland“ im Auge zu behalten: die Friedensbewegung als Jobkiller, Krieg als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, zu viel Frieden gefährdet den „Standort“. Und solche Leute lamentieren heute, die Pazifisten stören nur dabei, dem Diktator die Waffen abzunehmen. Die Friedensbewegung soll sich rechtfertigen vor Leuten, die diese Situation zu verantworten haben.

Übrigens sollen auch die USA UNO-Resolutionen verletzen, internationale Abkommen ignorieren und über Massenvernichtungsmittel verfügen, und zwar in gigantischen Ausmaßen. Bis heute bestehen die USA darauf, diese Waffen einsetzen zu können wann und gegen wen sie wollen.

Um die Argumente der Friedensbewegung abzuwehren, wird auch die Geschichte bemüht (will heißen: verdreht). Es seien doch schließlich die USA gewesen, die mit Waffengewalt den Diktator Hitler beseitigt hätten. Sonst niemand? Es war die Sowjetunion, die die Hauptlast im Kampf gegen Hitler trug. Es war die Rote Armee, die den Hauptanteil am Sieg über Hitler hatte. Die USA waren auch daran beteiligt, man wird das in der Geschichtsschreibung erwähnen müssen. Man sollte dann aber auch erwähnen, daß die USA in Hiroshima und Nagasaki den Kalten Krieg begannen, daß die USA den Aufstieg führender Nazis in die Eliten der Bundesrepublik mehr als duldeten und im Kalten Krieg selbst auf Nazi-Personal zurückgriffen - von Klaus Barbie bis Wernher von Braun.

Das Konzentrationslager Auschwitz sei nicht durch Friedensappelle und Friedensdemonstrationen befreit worden, sondern durch Soldaten, hat man sagen hören. Gesagt hat das Friedbert Pflüger, ein CDU-Politiker, also einer, der in der parteipolitischen Nachfolge derer steht, die Hitlers Ermächtigungsgesetz zustimmten. Gesagt hat das ein Politiker aus der Partei, deren Name Synonym für Restauration ist und für die die Rote Armee nach 1945 Feindbild blieb. (Er erwähnte nicht, welche Soldaten es waren, die Auschwitz befreiten). Soldaten der Roten Armee brachten die Massenmordmaschine Auschwitz zum Stillstand und befreiten die überlebenden Gefangenen. Aber die Sowjetunion hat keinen Angriffskrieg geführt. Sie wurde selbst überfallen.

Ein kluger Mann hat einmal gesagt: „Die Pazifisten haben zu 99 Prozent recht.“ Es ist wahr und es soll nicht geleugnet werden, daß der pazifistische Standpunkt völligen Gewaltverzichts nicht die letzte Antwort auf alle Fragen ist. Der Idee des völligen Gewaltverzichts steht die zu einem hohen Preis gewonnene Erfahrung entgegen, daß es in der Geschichte Situationen gegeben hat, in denen ein Verzicht auf Gewalt eine größere Gewalt perpetuiert hätte. Hitler mußte militärisch besiegt werden, die B-52-Bomber mußten über Vietnam abgeschossen werden, gegen die Contras mußten in Nicaragua Pflugscharen zu Schwertern umgeschmiedet werden.

Die Pazifisten haben zu 99 Prozent recht. Damit ist gesagt, daß sie nicht vollkommen recht haben und daß die, die gegenüber dem Pazifismus skeptisch sind, nicht vollkommen unrecht haben. Allerdings ist zwischen 99 Prozent und einem Prozent ein erheblicher Unterschied. Manche Leute klammern sich an diesem einen Prozent fest. Das ist eine groteske Verzerrung. Das Argument des „gerechten Krieges“ wird ausgerechnet denen vorgehalten, die zu einem völlig ungerechten Krieg Nein sagen. Einwände, die besagen, daß der Pazifismus nicht die letzte Antwort auf alle Fragen gibt, werden vorgetragen, um sich vor dem Widerspruch gegen die herrschende Politik zu drücken.

Diese Leute, die sich an das eine Prozent klammern, gehen nicht über den Pazifismus hinaus. Sie bleiben hinter ihm zurück.

Die gegen die Contras kämpften, die B-52-Bomber vom Himmel holten, gegen Hitler die Waffen erhoben, wollten etwas besseres als das, wogegen sie kämpften. Darum kann ihr Beispiel nicht als Rechtfertigung des Irak-Krieges dienen.

Stattdessen muß immer wieder an den 11. September erinnert werden - an den 11. September 1973, den Tag, an dem Salvador Allende ermordet wurde.


[Flugblatt zum 3. Golfkrieg, März 2003]


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