WB-Logo

DFG-VK Gruppe Duisburg
Stand: 9.11.2006

Inhalt und Impressum


Deutsche Friedensgesellschaft
Vereinigte Kriegsdienstgegner
Gruppe Duisburg

c/o Buchhandlung "Weltbühne"
Gneisenaustr. 226
47057 Duisburg

Der Nahe Osten –
zwei Kommentare


Libanon

von Lina Ganowski


Als Adolf Hitler ankündigte, er werde uns vernichten, haben wir ihm nicht geglaubt. „Der ist ein Großmaul.“ Und: „Das kann der ja gar nicht.“ Dann verlief die Geschichte, wie sie verlief. Wenn jetzt jemand sagt: „Ich will die Juden vernichten“, dann glauben wir ihm.

Oder sollen wir es drauf ankommen lassen? „Vielleicht wird er uns vernichten. Vielleicht wird er uns nicht vernichten. – Das wird sich dann herausstellen“? Nein. Auf ein solches Experiment lassen wir uns nicht ein.

Das ist der Grund, weshalb der Staat Israel gegründet wurde.

Man mag in der Geschichte forschen und anführen, daß bei der Gründung und beim Fortbestand des Staates noch weitere Umstände eine Rolle gespielt haben als der Schutz der Juden vor der Vernichtung. Man mag von imperialistischen Interessen sprechen, und man mag darüber reden, ob es eine kluge Politik der israelischen Regierungen war, sich für imperialistische Interessen zur Verfügung zu stellen oder ob es für die israelischen Regierungen seit 1948 jemals eine Alternative dazu gab oder nicht. Nur kann von dieser Erörterung nicht abhängen, ob es diesen Staat geben darf oder nicht. Niemand käme auf die Idee, Frankreich wegen Algerien, Spanien wegen Franco oder die USA wegen der Indianer und wegen Vietnam von der Landkarte wegzuradieren. Bei Israel kommt man auf solch eine Idee. Da wird man fragen müssen: Warum? Und man wird die Antwort geben müssen. Ich weiß keine andere Antwort als die, daß die aggressive Politik Israels gegen die Palästinenser nur als Vorwand herangezogen wird, um die Existenz eines Staates der Juden in Frage zu stellen.

In den 70er Jahren wurde ein Konzept favorisiert, wonach auf dem Territorium des ehemaligen Mandatsgebiets Palästina ein Gesamtstaat gebildet werden sollte, in dem Juden und Araber, Israelis und Palästinenser gleichberechtigt und friedlich miteinander leben sollten. Israel hätte in einem solchen Staat aufgehen müssen. Es war ein Traum. Es hätte ein Alptraum werden können. Auch auf ein solches Experiment wollten und werden sich die Juden nicht einlassen: „Wir haben für diesen Staat gekämpft, wir haben ihn erreicht, und wir geben ihn nie wieder her. Israel wird nie in einen anderen Staat aufgehen und auch nie Teil einer Konföderation sein.“ Das muß man verstehen. Jedem muß klar sein, daß eine Lösung des Nahostkonflikts nur möglich ist, wenn der Staat Israel weiterhin besteht, gesichert und von allen akzeptiert. Israel darf dann aber auch nicht so tun, als gäbe es die Palästinenser nicht bzw. an deren Elend seien allein die arabischen Regierungen und letztlich sie selber schuld. Es muß in Israel jedem klar sein, daß zur abgelehnten Ein-Staaten-Lösung die einzige Alternative die Zwei-Staaten-Lösung ist. Wird es dazu kommen? Oder dauert der Konflikt schon zu lange, um überhaupt noch gelöst zu werden? Das sind Gedanken, die man nicht denken will, die sich einem aber aufdrängen. Eine Lösung, die nur einer Seite gerecht wird, ist keine Lösung. Wenn in diesem Konflikt die eine Seite die andere Seite besiegt, wird der Sieger mit dem Besiegten untergehen. Israel hat Kriege geführt und gewonnen. Nach einem verlorenen Krieg würde Israel nicht mehr existieren. Ist der Konflikt in ein Stadium geraten, in dem Israel nur noch den Krieg gegen die islamische Welt verlieren oder sich zu Tode siegen wird?

Man mag also von imperialistischen Interessen sprechen. Man mag das israelische Großmachtstreben als inhuman oder als irrational geißeln. Man mag darüber reden, daß militärische Überlegenheit und militärisches Handeln auf die Dauer keine Sicherheit hervorbringen. Man mag erörtern, wie weit israelische Militäreinsätze durch das Recht auf Landesverteidigung gerechtfertigt und wie weit sie dadurch nicht mehr gerechtfertigt sind. Man mag anführen, daß Krieg unvermeidlich zu Kriegsverbrechen führt (auf beiden Seiten). Man mag zu dem Schluß kommen, daß Israel, aus einer Position militärischer Überlegenheit, den Frieden mehr fürchtet als den Krieg, weil seine Pläne für die Region nur mit Krieg durchsetzbar, durch den Frieden aber vereitelt sind. Und man mag über israelische Menschenrechtsverletzungen und israelische Kriegsverbrechen in Libanon sprechen. Man muß es auch. Man muß auch diejenigen anklagen, die für alles, was Israel tut, die Shoah als Rechtfertigung heranziehen.

Aber unter einer Bedingung:

Wer das Existenzrecht Israels bestreitet oder zur Disposition stellt, wer antisemitische Haßparolen um sich schleudert, wer den Holocaust bestreitet, anzweifelt oder relativiert, dem darf man nicht den kleinen Finger reichen.

Antisemiten sind keine Bündnispartner. Antisemiten sind immer Feinde, auch dann, wenn sie sich im Konflikt mit dem Weltfeind, dem US-Imperialismus befinden. Konflikte zwischen US-Imperialisten und Antisemiten ergeben sich so zufällig wie Allianzen, wie etwa in Afghanistan, als die Taliban noch im „Westen“ als „Freiheitskämpfer“ gefeiert wurden. Wer in der jeweiligen Konstellation auf die eine oder andere Seite setzt, spielt nicht nur mit der Gefahr, sondern wird selbst zur Gefahr.

Studiert man die Stellungnahmen linker Kreise zum Nahostkomplex allgemein und zu Libanon im besonderen, dann erscheinen etwa Iran als bloßes Opfer einer bevorstehenden US-Intervention und „irakischer Widerstand“, Hisbollah und Hamas als autonom agierende Heimatverteidiger mit sozialem touch. Deren Antisemitismus wird schlicht verdrängt. Oder er wird explizit bestritten: „Daß ... Hamas und die Hisbollah nicht gegen die Juden kämpfen, sondern gegen den zionistischen Hegemonieanspruch, dessen Rassismus. Die angeblichen Sponsoren der Hisbollah sollen ... die Vernichtung der Juden im Schilde führen. Daß es in Syrien und auch im Iran eine zahlenmäßig große Gruppe alteingesessener Juden gibt, die dort in Frieden und Toleranz ihr Leben führen und ihre Religion ausüben können“, schwärmt amazing Ackermann auf „kommunisten-online.de“.

Die Linke in Deutschland hat auf den Nahostkonflikt keinen Einfluß. Der Einfluß des Nahostkonflikts auf die deutsche Linke dagegen ist enorm. Die Linke, die die „Wende“ von 1989/90 noch besser verkraftet hat als befürchtet, könnte an einem Konflikt endgültig zerbrechen, in dem sie keine Rolle spielt. Sie lebt in ihrem Paralleluniversum, in dem sie die Realität von sich abblendet. Die einen haben sich an die Seite des US-Imperialismus treiben lassen, die anderen an die Seite von Antisemiten, so daß das Unauflösliche sich auflöst und das Unvereinbare sich vereint. Antifaschismus und Antiimperialismus fallen auseinander; linke und rechte Statements sind oft erst bei genauem Hinsehen voneinander zu unterscheiden. Ob links oder rechts erkennt man nur noch daran, ob Israel als Vorposten des US-Imperialismus hingestellt wird oder die USA als Vorposten der jüdischen Weltverschwörung.



Die Parallelen

von Helmut Loeven


„Im Libanon kämpfen Islamisten, Nationalisten und Linke Schulter an Schulter gegen die Aggressoren. Natürlich ist das zunächst nur ein Zweckbündnis zwischen Gruppierungen, die sich bis dato oft spinnefeind waren. Ähnlich wie im Zweiten Weltkrieg, als die Antipoden Stalin und Churchill samt ihrer Anhängerschaft auch gemeinsame Sache machen mußten, obwohl sie das ursprünglich gar nicht wollten.“

Jürgen Elsässer, der seine frühere Israel-Emphase überkompensiert, zieht historische Parallelen.

„Gegen die Aggressoren“, also gegen Israel kämpfen Islamisten, Nationalisten und Linke Schulter an Schulter, so wie einst Stalin und Churchill. Damals hieß der Aggressor Hitler. Israel und die Nazis auf eine Stufe zu stellen ist eins der antisemitischen Klischees. Elsässers Aufsatz in der jungen Welt (Titel: „Alte Feinde, neue Feinde“) ist eine Polemik gegen die „Antideutschen“: „Es gibt in der heutigen westlichen Gesellschaft keine andere Strömung, die mit so viel Menschenverachtung das Töten in Afghanistan, im Irak, im Libanon begrüßt und mit ihren Mitteln zu befördern sucht wie diese... Die ursprünglich als Antideutsche angetreten sind, haben sich ... zum durchaus deutschen Ableger der Neocons gemausert... Müßten Linke angesichts dessen nicht einen ganz klaren Trennungsstrich ziehen und sagen: Genausowenig, wie wir mit alten und neuen Nazis eine gemeinsame Veranstaltung oder Demonstration veranstalten wollen, lehnen wir auch jedes Bündnis mit den Antideutschen ab?“

Wer den METZGER gelesen hat, weiß auch ohne Elsässers späte Einsicht über die „Antideutschen“ bescheid. Es müßten aber noch mehr „klare Tennungsstriche“ gezogen werden.

Elsässers Aufsatz wird von Hand zu Hand gereicht. Im Internet kann man ihn auf einer neurechten Homepage (deren Adresse hier nicht weitervermittelt wird) ebenso lesen wie auf Günter Ackermanns One-man-Show „kommunisten-am-rande-des-nervenzusammenbruchs.de“ (pardon: „kommunisten-online“).

Bei den Neurechten heißt es: „Über „rechts“ und „links“ zu philosophieren, fehlt uns im Augenblick die Muße (in gewisser Weise gilt es jedoch analog zur ... antiimperialistischen Überwindung der opportunistischen Linken eine antiimperialistische Rechte aufzubauen, die in ähnlicher Weise die liberal-imperialistische Rechte überwindet).“ Dabei ist Elsässers Aufsatz willkommen: „mit der Analyse der Dringlichkeit in der Weltkriegssituation für ein ‚Zweckbündnis zwischen Gruppierungen, die sich bis dato oft spinnefeind waren‘, hat er absolut Recht!“

Auf „kommunisten-online“ findet Anna Heinzberger: „Die Aussagen sind so formuliert, daß es für Nichtakademiker schwierig ist, sie zu verstehen.“ Darum stutzt sie Elsässers Gedankengänge auf ein paar Hau-Ruck-Sätze zurecht, also auf das, was hängenbleibt: „Die ‚Linke‘ definiert den Faschismus ... falsch. Sie versteht ihn als ideologische Erscheinung. Richtig ist ihn ökonomisch zu definieren. Der Faschismus ist die ‚Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen ... und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals‘... Der Hauptexpansionsraum des US-Imperialismus ist der Nahe und Mittlere Osten. Der zionistische Staat ist sein treuester Verbündeter in dieser Region. Die arabischen und moslemischen Staaten sind es, die dem totalen Zugriff des US-Imperialismus auf die Energiereserven im Wege stehen. Deswegen ist der Antiislamismus die wichtigste Hassideologie der Imperialisten. Die Neocons sind die Faschisten unserer Zeit. Sie sind gefährlicher als die Altnazis... Die Antideutschen sind Faschisten, die sich als Antifaschisten verkleiden. Mit Faschisten, gleichgültig in welcher Verkleidung sie auftreten, darf es keine Bündnisse geben. Damit ist die Frage von Bündnissen und Zweckbündnissen für die ‚Linken‘ aufgeworfen.“

Man steht machtlos vis à vis, wenn solche Kurz-Gedanken unter dem Etikett Kommunismus vor aller Welt ausgebreitet werden.

Man versteht die Autorin nicht falsch, wenn man ihre Bemerkungen so versteht, daß ihr Postulat „Mit Faschisten, gleichgültig in welcher Verkleidung sie auftreten, darf es keine Bündnisse geben“ ein bloßes Lippenbekenntnis ist, von dem man nicht erwarten kann, daß Affinitäten mit (verkleideten) Faschisten damit unterbunden werden. Im Gegenteil! In welche Richtung soll sich die Linke (die hier schon in Gänsefüßchen steht) für Bündnisse und Zweckbündnisse (!) denn wohl öffnen? Man versteht die Autorin nicht falsch, wenn man sie zu denen rechnet, die ursprünglich als Antiimperialisten angetreten sind und sich zum durchaus deutschen Ableger der Hisbollah gemausert haben.

Grotesk ist der Umgang mit dem Begriff Faschismus. Zum einen verwendet sie den Begriff als Reizvokabel, als Stigma, das sie allen Mißliebigen ans Hemd klebt. Zum anderen behauptet sie, der Faschismus sei „die Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“. Das kommt einem bekannt vor. Es erinnert an die „Dimitroff-Formel“.

Wenn man meint, den Faschismus bekämpfen zu können, indem man Sprüche aufsagt, sollte man wenigstens richtig auswendig lernen können. Denn das hat Dimitroff gar nicht gesagt. Auf dem VII. Weltkongreß der Komintern 1935 hat Georgi Dimitroff in Wirklichkeit gesagt: „Der Faschismus an der Macht ist die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.“ Dimitroff sprach vom Faschismus an der Macht. Somit handelt es sich auch nicht um eine Definition, sondern um eine Kennzeichnung des Faschismus als Herrschaftsform und seines Klassencharakters.

Das müßte doch auch jedem auffallen: Wenn in einer Straßenbahn ein paar besoffene Skinheads eine türkische Frau anpöbeln, dann ist das doch nicht die Diktatur des Finanzkapitals.

Markenzeichen von Ackermanns Homepage, wo es vor „Steigbügelhaltern“, „Wasserträgern“, „Trotzkisten“, „Subjekten“ und „Kreaturen“, die „ihr wahres Gesicht zeigen“, nur so wimmelt, ist, daß dem Falschen noch die Dimension der Vulgarität hinzugefügt wird. „Israels Politik schadet dem Ansehen der Juden nachhaltig und gibt wirklichen Antisemiten Wasser auf ihre schmutzigen Mühlen“, „Die Zionisten – Steigbügelhalter der Antisemiten“, „Die Parallelen zur Groß-Deutschland-Hetze, Ideologie und Praxis der Nazis sind erschreckend“, „Ideologie und Vorstellungswelt des zutiefst rassistischen Zionismus, der von einem Groß-Israel träumt, das sich bis an die Ufer von Euphrat und Tigris erstreckt“ etc.pp. Schaumsprache. Alles ist „zutiefst“, und die Mühlen sind schmutzig. Und wer ist da letztlich schuld am Antisemitismus? Natürlich die Juden selbst. Wer sonst?




Deutsche Friedensgesellschaft -
Vereinigte Kriegsdienstgegner

Gruppe Duisburg

c/o Buchhandlung "Weltbühne"
Gneisenaustr. 226
47057 Duisburg
E-Mail: situationspresse@gmx.de

Bitte erfragen Sie unser Spendenkonto per E-Mail.

Verantwortlich: Helmut Loeven


[Flugblatt, Oktober 2006]


DFG-VK Duisburg * Internet: www.dfg-vk-duisburg.de * E-mail: situationspresse@gmx.de