WB-Logo

DFG-VK Gruppe Duisburg
Stand: 15.9.2005

Inhalt und Impressum


Deutsche Friedensgesellschaft
Vereinigte Kriegsdienstgegner
Gruppe Duisburg

c/o Buchhandlung "Weltbühne"
Gneisenaustr. 226
47057 Duisburg

Rot-grün macht Deutschland fähig zum Angriff


Die Nato führt Krieg gegen Jugoslawien. Raketen werden auf Serbien abgeschossen, Flugzeuge bombardieren Städte. Das ist - so muß man es leider sagen - nichts Besonderes. Denn mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges begann das unfriedlichste Zeitalter der Menschheitsgeschichte. In unzähligen Kriegen nach 1945 starben mehr Menschen als in der gesamten Menscheitsgeschichte vor 1914. Der Balkankrieg, der nicht erst im März 1999 begann, gehört zu einer langen Reihe von Kriegen, die die Menschheit in ihrer jüngsten Geschichte zu ertragen hatte.

Das Besondere an diesem Krieg ist, daß er in Europa stattfindet. Es gelingt den Großmächten also nicht mehr, ihre Kriege in die Dritte Welt zu exportieren.

Das Besondere an diesem Krieg ist, daß nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht erstmals wieder deutsche Soldaten an Kriegshandlungen unmittelbar beteiligt sind. Und nicht nur das. Deutsche Soldaten agieren in einem Land, aus dem sie 1945 verjagt worden waren. In Jugoslawien ist die Erinnerung an deutsches Militär noch wach. In Serbien erinnert man sich noch an die Kriegsverbrechen der Deutschen. Und jetzt sind sie wieder da, als Bundeswehr, die 1999 noch 35 ihrer Kasernen nach Hitler-Generälen benannt hat und in der sich immer wieder jener Ungeist regt, der einen ganzen Kontinent in Flammen aufgehen ließ.

Deutsche Militärs sind wieder da, wo sie immer schon sein wollten: auf einem Kriegsschauplatz. Daß dies so ist, wird als Zeichen der Normalität gewertet. Da ist was Wahres dran: Solange Imperialismus herrscht, ist der Krieg die Normalität und der Frieden nur Pause zwischen den Kriegen.

Die deutschen Machtpolitiker atmen auf. Nach der Wiedervereinigung steht Deutschland nicht mehr unter Sonderstatus. Solange Deutschland geteilt war und solange die sozialistischen Staaten der deutschen Machtpolitik Schranken setzten, stand Westdeutschland, der gefährlichste Staat Europas, unter alliierter Curatel, war zu militärischer Zurückhaltung gezwungen. Deutschland war nicht in der Lage, die europäische Ordnung aus eigener Kraft aus den Angeln zu heben. Diese Schranken gibt es leider nicht mehr.

Und so endet dieses Jahrhundert, wie es begonnen hat. Die Politik nach der "Wende" ähnelt der Politik vor der Oktoberrevolution: Kanonenbootpolitik, Strafexpeditionen gegen Serbien. Das gab es schon mal, und es wuchs sich zu einem Weltkrieg aus.

Und so ist zu befürchten, daß der Einsatz deutscher Luftstreitkräfte in Jugoslawien nur eine Station der "Normalisierung" ist, gut geeignet, die Öffentlichkeit dieses Landes an solche Einsätze zu gewöhnen. Als nächstes kommen Landstreitkräfte dran, entweder auf diesem oder auf einem anderen Kriegsschauplatz. Und so ist ferner zu befürchten, daß es schon bald geschieht. Militärexperten wissen, daß ein Krieg nur aus der Luft, ohne Bodentruppen nicht zu gewinnen ist. Jeder Krieg beginnt mit der Beschwichtigung, das sei nur ein Spaziergang, in ein paar Tagen oder Wochen sei alles erledigt. Und dann kommt es oft anders...

Ein Aspekt dieses Krieges ist besonders pikant: Er wird verantwortet von einem sozialdemokratischen Militärminister und einem grünen Außenminister. Er wurde begonnen von der rotgrünen Bundesregierung, von Parteien also, die in der Friedensbewegung der 80er Jahre eine Rolle spielten und dort Führungsansprüche stellten.

Wie anmaßend solch ein Anspruch im Falle der SPD war, ist jedem klar, der die Haltung der SPD von 1914 und die Rolle des SPD-Kanzlers Schmidt beim Doppelbeschluß der Nato kennt und der weiß, daß der erste sozialdemokratische Verteidigungsminister Gustav Noske hieß. Und bevor die SPD sich aufführte, als hätte sie den Ostermarsch erfunden, hatte sie Anfang der 60er Jahre ihren Mitgliedern die Teilnahme am Ostermarsch verboten. Rudolf Scharping setzt die militaristische Tradition seiner Partei fort. Wie schon unter seinem Vorgänger Rühe ist es auch unter seinem Kommando Bundeswehrangehörigen untersagt, an der Ausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht" teilzunehmen. Er wird wissen, warum. Es ist dort viel von Jugoslawien die Rede.

Die Rolle der Grünen entbehrt nicht der Tragikomik. Wollten die nicht mal raus aus der Nato, die Bundeswehr abschaffen und Schwerter zu Pfugscharen umschmieden? Wer erinnerrt sich nicht an deren Auftritte in der Friedensbewegung, wo sie sich unentwegt als die einzig wahren Friedensfreunde aufspielten. Die aufgeklärteren Teile der Friedensbewegung, die im US-Imperialismus, in der aggressiven Politik der Herrschenden unseres Landes und im Antikommunismus die Hauptgefahr erkannten, wurden von den Grünen ins moralische Abseits gedrängt. Den Grünen war die Friedensbewegung immer zu links. Sie wollten die Friedensbewegung zu einem moralischen Feldzug gegen den "Osten" zwingen. Für sie waren Friedenspolitik und Antikommunismus vereinbar.

Jetzt sind sie Opfer ihrer eigenen Phrasen geworden, und das nicht erst, seitdem sie in der Regierung sind. Als 1989 die Mauer fiel, sangen sie im Bundestag mit den anderen das Deutschlandlied. Sie freuten sich, als das Hindernis jener Hegemonialpolitik fiel, deren Teil sie heute sind. Bei einer solchen Politik sind pazifistische Reflexe nur Zierrat, den man beizeiten abstreift wie ein altes Hemd. Fischer in der Taz: "Eine Partei, die auf Bundesebene regierungsfähig werden will, muß in der Außenpolitik zu einer Linie finden, die von den Bündnispartnern der Bundesrepublik akzeptiert wird." Die FAZ steckte ab: "Wer Außenminister werden will, der muß auch Gewalt als politische Option anerkennen."

Der Regierungswechsel in Bonn zu rotgrün hat die Führung eines Krieges erleichtert. Beide Parteien, besonders die Grünen, haben große Teile der früheren Friedensbewegung an sich gebunden und neutralisiert.

Angeblich sind "unsere Jungs" zum Eingreifen in Jugoslawien gezwungen, um dort eine "humanitäre Katastrophe" zu verhindern. Das ist schon von der Sprache her Unsinn. "Humanitäre Katastrophen" gibt es nicht. Katastrophen können nicht humanitär sein. Scharping sagt, der Angriff auf Jugoslawien solle verhindern, daß in Kosovo Leichenberge aufgehäuft werden. Und es sollen keine neuen Flüchtlingsströme entstehen. Mit diesem Schlenker schielt er wohl auf die deutschen Stammtische. Tatsache ist: Ein Krieg hinterläßt Leichenberge. Jeder Krieg treibt Menschen in die Flucht. Dieser Nato-Einsatz vermindert nicht die Gewalt auf dem Balkan - er eröffnet eine neue Phase der Gewalt.

Wer entsetzt ist über das Blutvergießen im ehemaligen Jugoslawien, das nun schon seit vielen Jahren andauert, darf sich vor unbequemen Tatsachen nicht drücken. Der Krieg wurde angetrieben vom Nationalismus, der sich in den früheren Teilrepubliken Jugoslawiens regte. Die Zerschlagung des Vielvölkerstaates war den Nationalisten schon ein paar tausend Tote wert, und auch denen, die diese Nationalisten unterstützten. Und das waren vor allem die Deutschen. Seit den 50er Jahren konnten kroatische Faschisten Deutschland als sicheres Hinterland für ihren Terrorismus gegen Jugoslawien betrachten. Sie genossen hier jede Rückendeckung, so wie heute die nationalistische UCK. Unter deutscher Hegemonie betrieb die EU die Anerkennung der ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken. Die Ruinen und Kriegsgräber in Jugoslawien sind die Hinterlassenschaften von Genschers Außenpolitik.



Glaubt man Fischer und Scharping, dann dient ihr Krieg der Menschheitsbeglückung. Er dient einem anderen Zweck: Unter deutscher Hegemonie schafft sich die EU in Ost- und Südosteuropa einen Hinterhof, wo alles nach ihrer Pfeife zu tanzen hat. Ansprüche Jugoslawiens auf Souveränität auf eigenem Territorium gelten als Kriegsgrund. Wer, wie schon 1914, an Serbien ein unannehmbares Ultimatum stellt, will den Krieg nicht vermeiden. Er sucht nur einen Vorwand.

Die USA, die die Ausrichtung ihrer Politik ausschließlich an den eigenen Interessen als Doktrin offen verkünden, halten sich nicht mit Schönreden auf. US-Verteidigungsminister Cohen sprach offen vom "Angriff auf Jugoslawien". Und das ist es ja wohl auch. Wer gegen ein Land Krieg führt, von dem er nicht angegriffen wurde, führt einen Angriffskrieg. Der aber ist nicht nur durch die Charta der Vereinten Nationen, sondern auch durch unser Grundgesetz (Art. 26) verboten und nach § 80 des Strafgesetzbuches strafbar (darauf steht lebenslänglich). Aber deutsche Minister können nicht ständig mit dem Grundgesetz unterm Arm rumlaufen. Mit dem Strafgesetzbuch auch nicht.

Bevor die erste Bombe fiel, waren die Kommentaroren der liberalen Medien ungeduldig. Wie lange denn noch verhandelt werden soll? Wie lange denn noch mit Gewalt bloß gedroht werden soll? Sie konnten es gar nicht mehr abwarten.

Wer ist der Feind? Slobodan Milosevic ist der Buhmann schlechthin. Er ist an allem schuld. Der Chef einer sozialdemokratischen Regierung, die aus freien Wahlen hervorging, wird uns präsentiert in der Rolle eines blutrünstigen Diktators, der mit Hitler, Pol Pot und Saddam Hussein auf einer Stufe steht. So liest und hört man es in Kommentaren und Leserbriefen. So tönt es aus dem Radio. Kriegspropaganda ist von einer blutigen Lächerlichkeit. Besonders abstoßend ist es, wenn Deutsche über Hitler reden und dabei mit dem Finger auf andere zeigen.

Ist der Feind der Mächtigen dein Feind? Ist ihr Freund dein Freund? Der Hauptfeind steht im eigenen Land. Der Feind steht rechts.



[Flugblatt zum Jugoslawienkrieg, März 1999]


DFG-VK Duisburg * Internet: www.dfg-vk-duisburg.de * E-mail: situationspresse@gmx.de